Generation Z verliert Bezug zur heimischen Natur

HAnd mit Schmetterling auf Finger und Hand mit Brombeere

73 Prozent der Jugendlichen konnten die Brombeere richtig benennen, aber nur drei Prozent den Kleinen Fuchs (Bei den älteren Erwachsenen 22 Prozent).

Junge Menschen kennen weniger Tier- und Pflanzenarten als Ältere. Ihre Naturverbundenheit sinkt. Naturerfahrungen im frühen Kindesalter können das Naturwissen fördern und stärken. (Leserdebatte)

Die Kenntnis häufiger Tier- und Pflanzenarten, die Naturverbundenheit unter den Generationen und deren Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, nehmen von älteren zu jüngeren Menschen ab. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die am Institut für Ökologie der TU Berlin durchgeführt wurde.

Demnach wissen junge Menschen weniger über Pflanzen, Vögel und Schmetterlinge als ältere, obwohl sie ähnlich viel freie Zeit im Freien verbringen. Infolgedessen sind auch weniger junge Menschen bereit, sich für Flora und Fauna einzusetzen, schlussfolgern die Wissenschaftler.

Erstmalig untersuchte ein Wissenschaftler-Team Naturkontakt, Artenkenntnisse, Naturverbundenheit von Jugendlichen, jungen und älteren Erwachsenen. An der Studie nahmen insgesamt 600 Menschen aus ganz Deutschland teil, darunter 252 Berliner Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sowie 215 junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren und 133 ältere Erwachsene zwischen 30 und 76 Jahren.

Kaum jemand kennt den Kleinen Fuchs

Die Biologen befragten die Teilnehmer zum Beispiel, wie oft sie Grünflächen besuchen, inwieweit sie sich mit der Natur verbunden fühlen und sich für sie einsetzen würden. Anhand von Fotos sollten die Befragten zwölf in Deutschland weitverbreitete Arten bestimmen, darunter je vier Vögel, Schmetterlinge und Pflanzen.

Ergebnis: Jugendliche kannten Schmetterlinge weniger gut als Vögel, Vögel weniger gut als Pflanzen. 73 Prozent der Jugendlichen konnten zwar die Brombeere richtig benennen, aber nur 29 Prozent kannten die Elster und gerade mal drei Prozent den Tagfalter Kleiner Fuchs. Im Vergleich dazu erkannten immerhin 22 Prozent der älteren Erwachsenen den Kleinen Fuchs, 61 Prozent die Elster und 84 Prozent die Brombeere.

Über alle drei Gruppen hinweg wurden am häufigsten richtig benannt: Brennnessel (86 Prozent), Haussperling (67,3 Prozent) und Zitronenfalter (58,2 Prozent). Über alle drei Gruppen hinweg am seltensten richtig benannt wurden: Rosskastanie (52,8 Prozent), die Elster (41,5 Prozent) und Kleiner Fuchs (10,8 Prozent). Keine der zwölf Arten wurde von allen Teilnehmenden richtig benannt.

Jüngere Menschen sind weniger bereit, sich für die Natur einzusetzen

Ferner sollten die Befragten angeben, inwieweit sie sich mit der Natur verbunden fühlen und sich für sie einsetzen würden. Bei der Häufigkeit der Grünflächenbesuche gab es zwar keine Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Das heißt, die Befragten hielten sich gleich häufig in Parks, Gärten und anderen Grünflächen auf, die meisten sogar mehrfach pro Woche.

Jedoch nahmen die Naturverbundenheit und die Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, signifikant von älteren hin zu jüngeren Teilnehmenden ab.

Das überraschte die Autoren, denn Grünflächenbesuche seien ein etablierter Indikator für Naturerfahrungen. Das vermutete Phänomen des Erfahrungsaussterbens entstehe somit nicht im Hinblick auf Zugang und Kontakt mit der Natur.

Ältere Teilnehmer kannten jedoch mehr Tier- und Pflanzenarten, fühlten sich stärker mit der Natur verbunden und waren eher bereit, sich für die Natur einzusetzen als jüngere Menschen – drei Eigenschaften, die der Studie zufolge zwischen den Generationen und mit dem Alter tendenziell abnahmen.

Gutes Artenwissen fördert Naturverbundenheit

Es lohnt sich, Artenkenntnisse und Naturverbundenheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu fördern, erklärt Tanja Straka, Erstautorin der Studie, die an der FU Berlin forscht und lehrt. Denn je größer die Naturverbundenheit, desto höher ist die Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen. Wissen und Erfahrungen über Natur sollten über Generationen hinweg weitergegeben werden.

Allen Altersgruppen war gemeinsam, dass, wer viele Arten kannte, auch emotional stärker mit der Natur verbunden und eher bereit war, sich für sie einzusetzen. Demnach fördert ein gutes Artenwissen tatsächlich die Naturverbundenheit und diese wiederum die Einsatzbereitschaft.

Lernen über Interaktion mit der Natur

Grünflächen in Städten bereitzustellen, reiche nicht aus, wenn wir Naturerfahrungen mit Naturverbundenheit und die Bereitschaft, sich für sie einzusetzen, fördern wollen, glaubt Ingo Kowarik, der von 1999 bis 2021 das Fachgebiet Ökosystemkunde der TU Berlin leitete. Der Ökologe zieht zwei Konsequenzen:

  1. Vom Kindergarten bis hin zur universitären Ausbildung muss verstärkt Wissen vermittelt werden, etwa über die unterschiedlichen Arten und Organismen.
  2. Kinder und Jugendliche sollen sich nicht nur im Grünen aufhalten, sondern auch über die Natur lernen und positive emotionale Erfahrungen mit ihr gewinnen.

Wissen und Erfahrungen über Natur sollten dabei über Generationen hinweg weitergegeben werden. Bereits frühere Studien hatten gezeigt, dass Stadtbewohner weniger naturverbunden sind als Landbewohner.

Die Studie zeige einmal mehr, dass aufgrund veränderter Lebensstile Kinder und Jugendliche häufig weniger Kontakt zur Natur haben und auch weniger als Erwachsene über Natur wissen, erklärt Tanja Straka. Sie befürchtet, dass sich zukünftige Generationen weniger für die Erhaltung der Natur einsetzen werden. Es lohne sich, die Artenkenntnis und Naturverbundenheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu fördern.

Natur erleben im Waldkindergarten

Eine Chance, bei Kindern Naturverbundenheit und Lernen in der Natur zu fördern, bieten Wald- und Naturkindergärten. Die Konzepte beider Kindergärten basieren auf der Idee, Kinder durch intensiven Kontakt mit der Natur in ihrer Entwicklung zu fördern. Während die Kinder im Waldkindergarten in einem festgelegten Waldgebiet spielen, können sie im Naturkindergarten neben Wäldern auch Wiesen, Felder, Gärten oder Teiche entdecken.

Die Kinder spielen mit Naturmaterialien, zum Beispiel mit Stöcken und Hölzern, Steinen, Gräsern und Zapfen. Im Wald- wie im Naturkindergarten setzen sie sich täglich mit den Elementen auseinander und integrieren sie in ihr Spiel. Indem Kinder die Natur direkt erleben, stärken sie motorische Fähigkeiten, Kreativität, Umweltbewusstsein und Wahrnehmungsfähigkeiten.

Laut Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten gibt es derzeit bundesweit rund 3.000 Natur- und Waldkindergärten, Natur- und Waldgruppen in Deutschland. Auf einer Karte sind alle Kindergärten verlinkt. Wer sein Kind einem Waldkindergarten anmelden möchte, kann herausfinden, ob im eigenen Wohnort oder in der Nähe ein Natur- oder Waldkindergarten existiert.

Arten lernen durch Entdecken und Sammeln

Wenn Kinder bei jedem Wetter Natur draußen erleben, stärkt das nicht nur ihr Selbstbewusstsein und die eigenen Kompetenzen. Es entsteht auch Naturverbundenheit, deren Verlust bei Jugendlichen in obiger Studie beklagt wird. Denn die Kinder entdecken und begreifen Pflanzen, Käfer, Spinnen …

Einmal sehen sie ein Reh, dort einen Hasen oder einen Fuchs. Oder sie nehmen verschiedene Vögel wahr. Das weckt automatisch ihr Interesse. So lernen Kinder spielend die Arten und erlangen das "Wissen", das später in der Schule oder Studien abgefragt wird.

Eine andere Form des Lernens ist das Sammeln von Pflanzen: Wer in den 1980er Jahren zur Schule ging, musste mindestens ein Herbarium anlegen und dafür Kräuter bestimmen, pressen, archivieren. Heute ist es eines von vielen möglichen Schulprojekten. Es sollte wieder ein Muss werden. Auf diese Weise würden Kinder die Namen von Gräsern und Kräutern lernen, die auf den Wiesen wachsen, die sie umgeben, auf denen sie spielen.