Halbfinale in ParisAlte und neue Rivalinnen im Sand

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Leichter wird es mit den Jahren nicht: Iga Swiatek steht im Fokus.
Leichter wird es mit den Jahren nicht: Iga Swiatek steht im Fokus. (Foto: Lisi Niesner/Reuters)

Das Duell zwischen den Grand-Slam-Siegerinnen Iga Swiatek und Aryna Sabalenka findet bei den French Open seine Fortsetzung – bislang steht es 8:4 für die Polin. Auch die Französin Loïs Boisson, Nummer 361 der Weltrangliste, kämpft um einen Platz im Finale.

Von Barbara Klimke, Paris

Alter ist relativ. Wer als Kind schon ein tägliches Pensum auf Trainingsplätzen absolvierte, der blickt mit gerade einmal 24 Jahren oft bereits auf ein halbes Erwerbsleben zurück. Iga Swiatek jedenfalls glaubt, dass das Leben für Teenager im Tennis einfacher ist: „Man ist noch ein Underdog, man steht nicht so unter Beobachtung“, sagte sie dieser Tage. Die Erwartungen der Öffentlichkeit seien niedriger, deshalb sei es leichter, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, als später, wenn man im Fokus steht. Iga Swiatek hat viermal die French Open gewonnen. Aber leichter, das war ihre Botschaft, wird es mit den Jahren trotz der Routine nicht.

Das unterscheidet Swiatek von Aryna Sabalenka, 27, die jederzeit den Eindruck vermittelt, das bunte Leben fange gerade erst richtig an. Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin aus Belarus hat auf dem Platz zum Beispiel neuerdings Gefallen daran gefunden, Stoppbälle in ihr Spiel einzustreuen: ein riskanter Schlag, wenn die Gegnerin ihn noch erreicht. Bei Sabalenka, deren druckvolles Krafttennis überwiegend aus gewaltigen Schlägen besteht, die die Konkurrentinnen an der Grundlinie halten, wirkt diese Taktik so überraschend wie ein Knallfrosch auf dem Platz. Sie hat ihren Spaß daran.

Ohnehin hat Sabalenka viel Arbeit in ihre Sandplatztechnik investiert. Selbstbewusst war sie immer, aber weil sie ihre großen Träume bisher in Triumphen auf den Hartplätzen der Australian Open (2023, 2024) und in New York (2024) verwirklichte, hatte sie das Gefühl, in Paris ungelenker als andere über das tückische Ziegelmehl zu rutschen. „Auf dem Platz glaube ich immer, ich bewege mich unmöglich. Dann sehe ich später die Videos und denke: Ich bin doch ganz flott unterwegs“, erzählte sie lachend. Sie hat ihre Beinarbeit verbessert und sie hält jetzt Schritt mit der Konkurrenz.

Viel Arbeit, viel Spaß: Aryna Sabalenka hat ihre Sandplatztechnik verbessert.
Viel Arbeit, viel Spaß: Aryna Sabalenka hat ihre Sandplatztechnik verbessert. (Foto: Christophe Ena/AP)

Ob sie auch mit Swiatek mithalten kann auf dem roten Sand von Paris, ist die Frage, die sich bei den French Open am Donnerstag im Halbfinale stellt. Dann trifft die aktuelle Nummer eins des Frauentennis aus Belarus auf die frühere Weltranglistenerste aus Polen. Sabalenka hat am Dienstag zwar die Chinesin Zheng Qinwen bezwungen, die auf diesem Untergrund im Sommer 2024 zum Olympiasieg geschlittert war. Aber Swiatek, derzeit im Ranking an Position fünf geführt, ist in Roland Garros seit nunmehr 26 Matches unbesiegt. Und wo sollte sie nach einer leichten Form- und Sinnkrise ihre überragenden Fähigkeiten besser unter Beweis stellen können als hier?

Zwölfmal haben sie einander in den vergangenen vier Jahren gegenübergestanden: die introvertierte Iga Swiatek und die extrovertierte Aryna Sabalenka. Noch reicht die Rivalität nicht an große Duells der Tennisgeschichte, etwa Evert gegen Navratilova (80 Matches!), heran, aber die beiden Konkurrentinnen sind auf einem guten Weg. Achtmal gewann Swiatek, das Aufeinandertreffen im vorigen Jahr im Finale von Madrid, das die Polin im Tiebreak knapp für sich entschied (7:5, 6:4, 7:6), gilt als einer der Höhepunkte der Saison. In Cincinnati ein paar Monate später auf einem Hartplatz lag Sabalenka vorn. Nur einmal indes stritten sie bei einem Grand-Slam-Turnier um die Vorherrschaft, 2022 in New York: Swiatek gewann das Halbfinale und anschließend auch den Silberpokal der US Open. Es ist der einzige ihrer fünf Major-Erfolge, den sie nicht in Paris erobert hat.

Erstaunlicher Flug durchs Turnier: Loïs Boisson verdankt ihr Mitwirken nur einer Wildcard.
Erstaunlicher Flug durchs Turnier: Loïs Boisson verdankt ihr Mitwirken nur einer Wildcard. (Foto: Christophe Ena/AP)

Auch sie hat an ihren Fertigkeiten, vor allem am Aufschlag gearbeitet, seit sie im Herbst den belgischen Trainer Wim Fissette verpflichtete. Fissette, der 2018 Angelique Kerber beim Wimbledonsieg betreut hatte, riet Swiatek außerdem, sich beim Aufschlagreturn mehr Zeit zu nehmen, was sich in Roland Garros bislang bewährt hat. Zu den 22 Titeln, die Swiatek in ihrer Karriere gesammelt hat, ist indes seitdem keiner mehr dazugekommen. Im Grunde dauert ihr Tief an, seit sie im vergangenen Jahr eine Doping-Kontroverse auslöste. Im Sommer fiel sie bei einem Test mit der verbotenen Substanz Trimetazidin auf; nach eigener Aussage hatte sie ein nicht verschreibungspflichtiges, verunreinigtes Medikament gegen die Folgen von Jetlag eingenommen. Die Strafe, ein Monat Suspendierung, fiel milde aus. Noch fehlt ihr die Brillanz vergangener Tage. Aber auch ein Sieg gegen Sabalenka wäre nicht die letzte Hürde, die zu nehmen ist.

Die Französin Boisson wird von 15 000 Zuschauern angetrieben

Denn die Halbfinalsiegerin wird entweder auf die 21-jährige Coco Gauff aus den USA treffen, die am Mittwoch die Australian-Open-Siegerin Madison Keys 6:7 (6), 6:4, 6:1 bezwang. Oder auf die Französin Loïs Boisson, 22 Jahre alt, deren erstaunlicher Flug durchs Turnier sich fortsetzt.

Boisson spielt zum ersten Mal in ihrer Karriere bei einem Grand-Slam-Wettbewerb, sie verdankt ihr Mitwirken nur einer Wildcard, einer persönlichen Einladung des französischen Tennisverbands. Dennoch hat sie nun auch die zweite Top-Ten-Spielerin aus dem Turnier befördert. Zunächst schlug sie die Weltranglistendritte, Jessica Pegula aus den USA, im Viertelfinale dann die 18-jährige Russin Mirra Andrejewa 7:6 (6), 6:3. Andrejewa, vergangenes Jahr Halbfinalistin, steht in der Weltrangliste an Position sechs. Boisson dagegen rangiert auf Platz 361 – trotzdem wehrte sie einen Satzball ab und nahm Andrejewa auch eine 2:0-Führung im zweiten Durchgang aus der Hand. Schon vor Jahresfrist, damals unter den besten 150 Spielerinnen, bereitete sie sich auf ihre Paris-Premiere vor, dann zog sie sich einen Kreuzbandriss zu und musste monatelang pausieren. Das Geheimnis ihres Erfolges: „Ich halte an meinem Matchplan fest.“ Egal, wer ihr gegenübersteht.

Am Mittwoch wurde sie erneut von 15 000 frenetischen Zuschauern angetrieben. Die Stimmung im Stadion ähnelte der auf einem Fußballplatz – jeder verschlagene Ball von Andrejewa wurde bejubelt und beklatscht. Nicht einfach für die Gegnerin, das räumte Boisson gern ein, sie selbst aber fremdelte keine Sekunde auf der Riesenbühne: „Ich spiele gern mit Unterstützung der Leute“, sagte sie, „es ist doch wunderbar, wenn ich meinen Namen nach einem Punktgewinn höre.“

Es war die junge Russin, die zugab, die Nerven verloren zu haben, die mit zunehmender Spieldauer fehlerhafter agierte. Loïs Boisson dagegen möchte weiterfliegen: „Ich habe einen Traum, und der heißt: Ich will gewinnen, nicht nur im Halbfinale stehen.“ Sie spürt keine Last der Erwartungen. Iga Swiatek dürfte sich bestätigt sehen – auch wenn Boisson kein Teenager mehr ist.

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