Angriff auf russische Flughäfen: Schäden durch Operation Spinnennetz womöglich größer als erwartet

Russische A-50

Russische A-50. Bild: Sergey Denisenko/ Shutterstock.com

Ukrainische Drohnen trafen russische Militärflughäfen. Mehrere strategische Bomber wurden zerstört. Doch der Preis für diesen Erfolg könnte höher sein als gedacht.

Die jüngsten ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Militärflughäfen, bei denen mehrere strategische Bomber zerstört wurden, werden vielerorts als spektakulärer Erfolg gefeiert. Angesichts der begrenzten militärischen Mittel der Ukraine ist die technische Ausführung der Operation in der Tat beeindruckend. Doch zu welchem Preis wurde dieser Schlag erzielt?

Eine nüchterne Betrachtung offenbart möglicherwiese gravierende Kollateralschäden für das Völkerrecht und die nukleare Rüstungskontrolle.

Erstens: Der Einsatz ziviler Lastkraftwagen (LKW) zur verdeckten Infiltration russischen Territoriums und als Startplattformen für Kampfdrohnen stellt einen Verstoß gegen das Unterscheidungsgebot dar. Das humanitäre Völkerrecht, kodifiziert in Art. 48 des Zusatzprotokolls I zu den Genfer Abkommen, verpflichtet Konfliktparteien zur strikten Trennung militärischer und ziviler Objekte.

Durch die Tarnung von Drohnencontainern als harmlose Holzfracht auf LKW-Dächern verwischt die Ukraine bewusst diese Grenze. Dies birgt die Gefahr, dass Russland künftig präventiv zivile Fahrzeuge angreift – in der Annahme, sie könnten Teil einer Militäroperation sein.

Die "Spinnennetz"-Taktik gefährdet somit nicht nur russische, sondern potenziell auch ukrainische Zivilisten. Sie könnte als perfide Kriegsführung gewertet werden, die Art. 37 des Zusatzprotokolls I explizit verbietet.

Bomber unter freiem Himmel

Zweitens: Die Zerstörung strategischer Bomber, die – sichtbar für US-Satelliten – unter freiem Himmel stationiert waren, untergräbt die Verifikationsmechanismen des New START-Abkommens. Dieser letzte verbliebene Rüstungskontrollvertrag zwischen den USA und Russland begrenzt die Zahl nuklearer Trägersysteme und Sprengköpfe. New START schreibt zwar nicht wortwörtlich vor, dass Atombomber im Freien geparkt werden müssen.

Doch Artikel IV (3) verpflichtet beide Seiten, ihre Waffensysteme für die "nationalen technischen Mittel" (sprich: Satelliten) der jeweils anderen Partei sichtbar zu halten. Geschlossene Hangars würden diese Überprüfbarkeit erschweren.

Droht eine stärkere Abschattung?

Deshalb hat sich die Freiluftstationierung als Usus etabliert, um Transparenz zu demonstrieren. Der Angriff auf die exponierten Bomber könnte Russland nun dazu verleiten, seine Nuklearflugzeuge in Zukunft abzuschotten – und damit die New START-Verifikation behindern.

Hinzu kommt: Die vorgeschriebene Kennzeichnung von Atombombern (Anhang zu Verifikationsmaßnahmen, Teil 4, Abschnitt III, Punkt 10) und der Austausch technischer Daten (Protokoll, Teil 2, Abschnitt I, Punkt 5) sind bei Flugzeugen im Freien einfacher zu überprüfen als in Hangars.

Sichtbarkeit erleichterte vieles

Auch Vor-Ort-Inspektionen nach Artikel X werden durch die Sichtbarkeit der Bomber erleichtert. All diese Kontrollmechanismen hat die Ukraine mit ihrem Angriff auf die verwundbaren Flugzeuge schwer beschädigt. Angesichts der ohnehin fragilen Zukunft von New START – Russland hat seine Teilnahme bereits ausgesetzt – ist dies ein verheerendes Signal.

Fazit: Rein militärisch betrachtet war die Zerstörung der Bomber ein Erfolg für die Ukraine. Doch der Preis dafür könnte hoch sein: ein dauerhafter Schaden für das humanitäre Völkerrecht und die atomare Rüstungskontrolle.

Was bleibt nach dem Spinnennetz?

Mit ihrer "Spinnennetz"-Taktik hat die Ukraine einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen, der das Unterscheidungsgebot untergräbt und Zivilisten gefährdet.

Noch schwerer wiegt womöglich der Schlag gegen New START und seine Verifikationsregeln. Wenn die Freiluftstationierung von Atombombern, bisher ein Vertrauensbeweis, nun zur Achillesferse wird, könnten beide Seiten ihre Waffensysteme verstärkt abschotten. In Zeiten eskalierender Spannungen wäre mehr Transparenz jedoch dringend nötig. Die Angriffe mögen kurzfristig Eindruck schinden, langfristig schaden sie jedoch den Bemühungen um Rüstungskontrolle – und erhöhen damit die nukleare Gefahr.