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Oliver Trenkamp

Die Lage am Abend Friedlich Merz

Die drei Fragezeichen heute:

  1. Merz’ Regierungserklärung – Warum so zaghaft, Herr Bundeskanzler?

  2. Bidens Zustand – Wie systematisch hat sein Umfeld gelogen?

  3. Essen für Kinder – Warum baden Restaurants so vieles in Fett?

Podcast Cover

1. Merz-Demokratie wagen

In diesem Friedrich steckt ein großes Ich, habe ich vor Jahren mal über Merz geschrieben. Das zeigte sich auch heute in seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler: 33 Ichs verteilte er über seine Rede, wenn ich richtig gezählt habe. Besonders intensiv widmete er sich seiner Reisetätigkeit in den ersten Tagen seiner Amtszeit (Paris, Warschau, Brüssel, Kyjiw). Das Signal ist klar: Mit mir geht’s wieder voran in Europa. Auf mich kann sich die Ukraine verlassen. (Hier mehr .)

Drei Teile hatte seine Regierungserklärung: Es ging um Sicherheitspolitik (»Stärke schreckt Aggressoren ab. Schwäche lädt Aggressoren ein«), Wirtschaft (»Leistung muss sich wieder lohnen«) und um Migration (»Mehr Begrenzung, mehr Zurückweisungen, mehr Steuerung, mehr Rückführungen«). Er gab sich versöhnlich, dankte seinem Vorgänger Olaf Scholz und versuchte, nicht zu polarisieren. »Wahrscheinlich ist Merz der rhetorisch begabteste Kanzler seit Schröder, aber in entscheidenden Momenten enttäuscht er immer wieder«, sagt mein Kollege Sebastian Fischer. Heute wirkte er kaum mitreißender als Merkel und Scholz.

Meine Kollegin Maria Fiedler und mein Kollege Stefan Kuzmany haben die Rede verfolgt – und sind nicht beeindruckt.

  • Stefan findet: »Sollte sich Merz vorgenommen haben, mit seiner ersten Regierungserklärung das Land aufzurütteln, einen gemeinsamen Aufbruch anzustoßen, die junge Generation zu motivieren, dann muss man leider sagen: Die Absicht war spürbar, gelungen ist es eher nicht. Zu sehr klebte er an seinem Manuskript, zu wenig wirkte er selbst begeistert von seinen Worten.«

  • Maria sagt: »Ein Grund für den lauen Auftakt: Mit dieser Rede wollte er niemandem wehtun. Nachdem er im Wahlkampf noch gerufen hatte, die linke Politik sei vorbei, betonte er jetzt Punkte, die dem Koalitionspartner, der SPD, wichtig sind. Merz will Gräben zuschütten, die er im Wahlkampf aufgerissen hat.«

• Verfolgen Sie die Liveanalyse hier: Merz’ Regierungserklärung, so spannend wie eine Steuererklärung

2. Sleepy Show

Ein neues Buch über Joe Biden offenbart, wie systematisch das Umfeld des damaligen US-Präsidenten seine Gebrechen offenbar vertuscht hat. »Original Sin« erscheint nächste Woche, geschrieben haben es der CNN-Mann Jake Tapper und der Axios-Journalist Alex Thompson (»Hybris« wird der deutsche Titel). Aber schon jetzt kursieren Details:

  • Biden habe demnach George Clooney nicht erkannt, der für die Demokraten eine Spendengala organisiert hatte.

  • Biden habe sich laut den Autoren selbst an die Namen engster Mitarbeiter nicht erinnern können, etwa des Nationalen Sicherheitsberaters oder der Pressesprecherin des Weißen Hauses.

  • Immer wieder seien Leute schockiert von Bidens Zustand gewesen, die ihn nach längerer Zeit wiedergetroffen hätten.

Trotzdem habe es keine echte Debatte darüber gegeben, ob er wirklich noch einmal antreten soll. Bidens engste Vertraute, darunter seine Ehefrau Jill, sollen ihn abgeschirmt und versucht haben, alle Zweifel im Keim zu ersticken. »Das Politbüro« nennen die Buchautoren den engsten Kreis, historisch schief, aber provokant zugespitzt. Berater Bidens hätten Journalisten angelogen und in die Irre geführt, die zu scharf nachfragten (mehr Hintergründe hier ).

Aber wurde überhaupt scharf genug nachgefragt? Nein, findet mein Kollege René Pfister, Korrespondent in Washington: »Viele Kolleginnen und Kollegen fürchteten offenbar die Alternative Trump so sehr, dass sie zu zart mit Biden umgingen.« Sodass der Eindruck entstand, rechte Propagandaschleudern wie »Fox News« berichteten verlässlicher über Biden »als die Flaggschiffe der amerikanischen Qualitätspresse«.

3. Frittieren geht über Probieren

Die fetten Jahre sind noch lange nicht vorbei: Die Verbraucherzentralen haben die Kindergerichte auf 100 Speisekarten ausgewertet – mit dem erschreckenden, aber für Eltern wenig überraschenden Ergebnis: Frittieren geht über Probieren.

Das Brunnenkresse-Süppchen auf der Tageskarte kann noch so ausgefeilt sein (vielleicht mit Saiblingstatar-Knusper ?), der Küchenchef noch so liebevoll seine Empfehlung anrichten (vielleicht Spargelrisotto  mit Forellenfilet in Lardo, weißem Speckschaum und Petersilienöl), in der Rubrik »Für unsere kleinen Gäste« regieren Schnitzel, Pommes, Nuggets. Immerhin gesellt sich oft Pasta hinzu; die hat als Migrationshintergrund den Wassertopf und nicht die Fritteuse.

Nur zu jedem zehnten Gericht gibt es eine Gemüsebeilage oder Salat, kritisieren die Verbraucherschützer: »Kinder sollten beim Restaurantbesuch die Möglichkeit erhalten, Gemüse auszuwählen und am besten selbst entscheiden.« Sicher richtig, trotzdem werden Eltern an dieser Stelle laut lachen. Radicchio  oder Extra-Ketchup? Holzspielzeug oder Handy? Hausaufgaben oder Sportschau? Wie würde Ihr Kind sich entscheiden?

Was heute sonst noch wichtig ist

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen: Ermittler fassen mutmaßliche Kreml-Saboteure

Frachtflugzeug der Logistikfirma DHL: »Chaos in Europa säen«

Frachtflugzeug der Logistikfirma DHL: »Chaos in Europa säen«

Foto:

Hendrik Schmidt / dpa

Zugriffe in Konstanz, Köln und in der Schweiz: Die Bundesanwaltschaft hat mehrere Ukrainer festgenommen. Sie sollen Anschläge im Auftrag Moskaus geplant haben, wie meine Kollegen Roman Lehberger und Fidelius Schmid berichten.

Was heute weniger wichtig ist

Tages-Ciao: Constantin Schreiber, 45, verlässt die »Tagesschau« nach vier Jahren, wie er der Welt via Instagram kundtat. Über Pläne sagte er noch nichts. Er schrieb: »Meine letzte Sendung ist nächste Woche Sonntag, am 25. Mai. Ich freu’ mich, wenn ihr dabei seid, und werde zum Abschied vielleicht einmal zuzwinkern.«

Mini-Hohlspiegel

Schild nahe Ermatingen

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Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

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Thomas Plaßmann

Und heute Abend?

Brunnenkresse-Schaumsuppe mit Saiblingstatar-Knusper

Brunnenkresse-Schaumsuppe mit Saiblingstatar-Knusper

Foto: Andrea Thode

Könnten Sie kochen, entweder Spargelrisotto mit Forellenfilet oder Brunnenkresse-Süppchen mit Saiblingstatar-Knusper, siehe oben. Oder, deutlich günstiger, Sie machen sich koreanischen 15-Minuten-Gurkensalat für 60 Cent pro Portion. Mein Kollege Sebastian Maas verspricht: »Dieser Salat ist fix fertig, kriminell einfach, würzig und knackig.« Er sei gerade in den warmen Monaten eine willkommene Abwechslung – als Beilage und Hauptgericht. (Hier das ganze Rezept.)

Guten Appetit! Einen schönen Abend. Herzlich

Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

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