Der stille Reformer: Was der neue Papst vorhat

Erster Auftritt von Leo XIV. nach seiner Wahl zum Papst

Erster Auftritt von Leo XIV. nach seiner Wahl zum Papst

(Bild: Marco Iacobucci Epp/Shutterstock.com)

Die katholische Welt hat ein neues Oberhaupt. Welchen Weg der Mann aus den USA einschlagen wird und welche Schatten der Vergangenheit auf ihm lasten. Eine Analyse.

Endlich ist der Rauch in der richtigen Farbe aufgestiegen, die kurze Anspannung ist der Erleichterung gewichen: Ein Nachfolger für den an Ostern verstorbenen Reformpapst Franziskus ist gefunden.

Der 267. Pontifex wird der 69-jährige in Chicago (USA) geborene Robert Francis Prevost. Er nimmt den Papstnamen Leo XIV. an und leitet ab sofort die Geschicke der 1,4 Milliarden Gläubigen zählenden Kirchengemeinschaft.

Die Versammlung der wahl- und stimmberechtigten Kardinäle hat damit einen Außenseiter in das höchste kirchliche Amt gewählt. Die allermeisten Analysten und Experten hatten den US-Amerikaner mit Lateinamerika- und Rom-Erfahrung nicht als Favoriten auf dem Stimmzettel gesehen.

Seine Wahl ist ein Kompromiss und sendet zugleich ein wichtiges Signal nach außen: Die Kirche von Rom bildet eine feste Einheit. Während noch 2019 laut Umfragen 40 Prozent der Katholiken über einen Austritt aus der Kirche nachdachten und gerade in Deutschland 2021 nach den Skandalen um Kardinal Woelki in Köln die Austritte einen historischen Höchststand erreichen, besinnt sich der Klerus auf seine Kernkompetenz: Halt geben, Orientierung bieten und christliche Werte einfordern.

Aber: Ist der US-Nobody im höchsten Hirtenamt der Mann für die stille Orientierung?

Vance sehen und sterben

Mit diesem Titel umschrieb die taz süffisant den Tod von Papst Franziskus in Anlehnung an bekannte Filmtitel, Papst Franziskus habe den amtierenden US-Außenminister J.D. Vance gesehen und sei gestorben.

Ein Zusammenhang lässt sich freilich kaum herstellen, auch wenn der Verstorbene nicht mit Kritik an den USA und ihrer rigiden Außenpolitik gespart haben dürfte. Ironie der Geschichte ist es dennoch, dass mit Kardinal Robert Prevost erstmals ein Nordamerikaner den Stuhl Petri bestieg.

Weit mehr als seine amerikanische Herkunft zeichnet die Namenswahl den neuen Pontifex aus. Ohnehin lebte der heutige Papst nach seiner Schulzeit nur wenige Jahre am Stück in den USA, besitzt neben der amerikanischen auch die peruanische Staatsbürgerschaft und studierte und promovierte in Rom.

Ein Arbeiterpapst?

Spannend ist, dass Papst Leo seine Namenswahl in seiner ersten Ansprache vergleichsweise zentral und theologisch fundiert begründete und gleichzeitig auf eine moderne Adaption drängte.

In Anlehnung an Papst Leo XIII., der 1891 mit seiner bahnbrechenden Enzyklika Rerum Novarum die katholische Soziallehre begründete, wolle der jetzige Papst Leo den begonnenen Weg fortsetzen.

Während Leo XIII. sich den Herausforderungen der industriellen Revolution und dem Massenelend stellen musste, das die moderne kapitalistische Produktionsweise hervorgebracht hatte, fühlt sich Leo XIV. berufen, christliche Antworten auf die "Revolution der künstlichen Intelligenz und ihre Auswirkungen auf Gerechtigkeit, Arbeit und Menschenwürde" zu geben.

Es wird deutlich, dass der soziale Anspruch seines Vorgängers weiter vorangetrieben werden soll. Passend dazu erklärte Leo XIV. auch offiziell vor dem Kardinalskollegium seine Bereitschaft, den Weg von Franziskus fortzusetzen.

Der erste Augustiner

Mit Papst Leo XIV. bestieg erstmals ein Bruder des Augustinerordens den Heiligen Stuhl. Während die meisten Deutschen bei Augustiner an ein bekanntes schmackhaftes Helles aus Bayern denken, stellt der Name bei der Papstwahl ein Novum dar.

Der Augustinerorden ist historisch wie aktuell einflussreich, ein Big Player in der kirchlichen Arithmetik. Sein berühmtester Spross wurde zum größten Gegenspieler Roms, Martin Luther trug als Ordensmitglied die markante Ordenskleidung samt filmisch popularisierter Rasierfrisur.

Der Augustinerorden ist dem Gehorsam gegenüber Gott, dem Gebet, einem Leben in Armut und der Verbreitung des Christentums verpflichtet. Bis heute setzt der Orden bei stark rückläufiger Mitgliederzahl auf eine klare Haltung zu sozialen Fragen, Volksnähe und Bildung.

Schon im zarten Alter von 14 Jahren kam Robert Francis Prevost über einen Chor in Chicago mit dem Augustinerorden in Kontakt, später sollte er den Orden leiten. Folgerichtig zunächst sein Eintritt und die Missionsaufgabe in Peru, dort lebte er viele Jahre als Bischof, setzte sich für Behinderte und Arme ein.

Überraschend besuchte Leo am vergangenen Samstag das Heiligtum der Mutter vom Guten Rat und vor allem das angeschlossene Augustinerkloster als erstes kleines Zeichen vor dem römischen Trubel mit Symbolwirkung.

Leo XIV. bringt aus seiner Zeit in Peru und durch seine amerikanischen Wurzeln, vergleichbar mit Papst Franziskus, eine Vielfalt an Sprachkompetenzen mit und, als Alleinstellungsmerkmal, die Fähigkeit, ein panamerikanischer Mittler zu sein.

Er kennt beide Welten, beide Kulturen und könnte zum Brückenbauer werden. Bevor Papst Leo in seiner ersten Ansprache ins Spanische wechselte, beschwor er mehrfach den Geist der Kirche, Brücken zu bauen und den Dialog zu suchen. Ein unverhohlener Fingerzeig an die Mächtigen dieser Welt.