Parodontitis: Die unterschätzte Gefahr fürs Herz

Eine junge Frau mit entzündetem Zahnfleisch.

(Bild: Marina Demeshko / Shutterstock.com)

Parodontitis gefährdet mehr als nur Zähne. Die Erkrankung kann Bakterien in den Blutkreislauf bringen. Wie stark ist der Einfluss aufs Herz?

Der Mund wird oft als Fenster zur allgemeinen Gesundheit bezeichnet – und das aus gutem Grund. Immer mehr Forschungsergebnisse zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen schlechter Zahnhygiene und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch wenn diese beiden Gesundheitsbereiche auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, kann der Zustand Ihrer Mundgesundheit weitreichende Auswirkungen auf das Herz haben.

Zahnfleischerkrankungen und Infektionen im Mundraum können Entzündungen auslösen, schädliche Bakterien in den Blutkreislauf gelangen lassen und in schweren Fällen sogar zu einer direkten Infektion des Herzgewebes führen. Zusammen können diese Auswirkungen zu schweren, manchmal lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen.

Im Zentrum dieses Zusammenhangs steht die Parodontitis – eine schwere Form der Zahnfleischerkrankung, die durch langfristige Plaquebildung und unzureichende Mundhygiene verursacht wird. Unbehandelt reizt und entzündet Plaque das Zahnfleischgewebe und führt schließlich zu dessen Rückgang und Zerfall.

Durch diesen Abbau gelangen Mundbakterien leichter in die Blutbahn. Alltägliche Handlungen wie Zähneputzen, Zahnseide oder Kauen – und insbesondere zahnärztliche Eingriffe – können diesen Mikroben einen Weg durch den Körper bahnen.

Sobald sie in den Blutkreislauf gelangt sind, können sich bestimmte Bakterien an das Endothel, die innere Auskleidung der Blutgefäße, anheften. Dadurch wird die Gefäßbarriere gestört, sodass sich Infektionen leichter im gesamten Körper ausbreiten können, auch in lebenswichtigen Organen. In extremen Fällen kann dies zu Organversagen oder sogar zum Tod führen.

Entzündungen und Infektionen

Systemische Entzündungen sind einer der Hauptfaktoren, durch die die Mundgesundheit die Herzgesundheit beeinflusst. Chronische Parodontitis löst eine anhaltende Immunreaktion aus, die den Spiegel wichtiger Entzündungsmarker wie C-reaktives Protein und Zytokine erhöht.

Diese Moleküle können die Blutgefäßwände schädigen und zur Entstehung von Arteriosklerose beitragen – einer Erkrankung, die die Arterien verengt, den Blutdruck erhöht und das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle drastisch erhöht.

Entzündungen gelten heute nicht nur als Symptom von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch als deren treibende Kraft. Diese Erkenntnis hebt die Mundpflege von einem kosmetischen Anliegen zu einem entscheidenden Aspekt der Prävention von Herzerkrankungen.

Eine schlechte Mundhygiene kann auch das Risiko einer infektiösen Endokarditis (IE) erhöhen, einer schweren Infektion der Herzinnenhaut oder der Herzklappen. Diese Erkrankung tritt typischerweise auf, wenn Mundbakterien – insbesondere aus der Streptococcus viridans-Gruppe – in die Blutbahn gelangen und sich in geschädigten Bereichen des Herzens ansiedeln.

Menschen mit vorbestehenden Herzklappenfehlern, Herzklappenprothesen oder angeborenen Herzfehlern sind besonders gefährdet. Bei Patienten mit Herzklappenprothesen oder bestimmten Herzerkrankungen empfehlen Zahnärzte unter Umständen sogar die Einnahme von Antibiotika vor bestimmten Eingriffen, um das Risiko einer infektiösen Endokarditis zu minimieren. IE ist ein medizinischer Notfall, der eine längere Antibiotikabehandlung oder in einigen Fällen sogar eine Operation erfordert.

Epidemiologische Studien bestätigen diesen Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und Herzgesundheit. Menschen mit Zahnfleischerkrankungen leiden deutlich häufiger an Herzerkrankungen. Diese Studien können zwar nicht immer einen direkten Zusammenhang nachweisen, aber die Korrelationen sind stark – selbst nach Berücksichtigung gemeinsamer Risikofaktoren wie Rauchen, Diabetes und schlechter Ernährung.

Eine Studie ergab, dass Menschen mit Parodontitis bis zu doppelt so häufig an einer koronaren Herzkrankheit erkranken wie Menschen mit gesundem Zahnfleisch. Andere Studien weisen auf einen "Dosis-Wirkungs-Zusammenhang" hin: je schwerer die Zahnfleischerkrankung, desto größer das kardiovaskuläre Risiko.

Mundmikrobiom

Rauchen, ungesunde Ernährung, übermäßiger Alkoholkonsum und Diabetes tragen sowohl zu einer schlechten Mundgesundheit als auch zu Herzerkrankungen bei. Tabak schwächt das Zahnfleischgewebe und unterdrückt die Immunfunktion. Alkohol kann den Mund austrocknen und das orale Mikrobiom stören. Und schlecht eingestellter Diabetes beeinträchtigt die Durchblutung und verlangsamt die Heilung, wodurch sich sowohl die parodontalen als auch die kardiovaskulären Erkrankungen verschlimmern.

Diese Überschneidungen machen die Forschungsergebnisse nicht weniger aussagekräftig – vielmehr untermauern sie die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung der Gesundheit. Gesunde Gewohnheiten kommen dem gesamten Körper zugute, nicht nur einzelnen Systemen.

Neueste Forschungsergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass die Mundhygiene durch Veränderungen im Mikrobiom des Körpers die Herzgesundheit beeinflussen kann. Eine schlechte Mundhygiene ermöglicht es schädlichen Bakterien, nützliche Mikroben zu verdrängen, was zu einem Ungleichgewicht führt, das als Dysbiose bezeichnet wird. Dies kann die Immunfunktion beeinträchtigen und zu chronischen Entzündungen und Arteriosklerose beitragen.

Um es klar zu sagen: Eine gute Zahnhygiene allein kann das Risiko für Herzerkrankungen nicht beseitigen. Genetik, Ernährung, Bewegung und Grunderkrankungen spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Die Erhaltung der Mundgesundheit ist jedoch ein einfacher, wirksamer und oft übersehener Teil der Gesundheitsvorsorge. Regelmäßiges Zähneputzen und die Verwendung von Zahnseide, regelmäßige Zahnarztbesuche und die rechtzeitige Behandlung von Zahnfleischerkrankungen können das Risiko für systemische Komplikationen verringern.

Gesundheitsexperten erkennen zunehmend die Bedeutung der Zusammenarbeit. Kardiologen werden dazu angehalten, Fragen zur Mundgesundheit zu stellen, und Zahnärzte werden aufgefordert, bei Untersuchungen auch kardiovaskuläre Risikofaktoren zu berücksichtigen. Dieser integrierte Ansatz kann zu einer früheren Erkennung, einer individuelleren Versorgung und besseren Langzeitergebnissen führen.

Der Mund ist weit mehr als nur der Beginn des Verdauungssystems – er spielt eine wichtige Rolle für das allgemeine Wohlbefinden. Der Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und Herzerkrankungen unterstreicht die Notwendigkeit, die Mundpflege als grundlegenden Bestandteil der Präventivmedizin zu betrachten. Durch die Pflege guter Gewohnheiten können Menschen nicht nur ihr Lächeln schützen, sondern auch ihr Herz.

Steven W. Kerrigan ist Professor für Präzisionstherapie an der Fakultät für Pharmazie und Biomolekulare Wissenschaften der RCSI University of Medicine and Health Sciences.

Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht. Lesen Sie den Originalartikel. Übersetzer: Bernd Müller