Sinkende Mieten in München, noch dazu in Altbauwohnungen, das wär ja mal was – und tatsächlich gibt es das, zumindest, wenn man dem Verein „Haus und Grund“ glaubt und seiner Auslegung des neuen Mietspiegels. Demnach sind, verglichen mit dem Vorgänger-Mietspiegel von 2023, die Mieten für Wohnungen in Häusern mit Baujahr bis 1918 gesunken, und zwar bei Wohnungsgrößen von gut 50 bis knapp 140 Quadratmetern.
Der Lobbyverband, der die Interessen von Vermieterinnen und Vermietern vertritt, zieht deswegen die Aussagekraft und Legitimität des Instruments Mietspiegels in Zweifel. Er erntet aber Widerspruch von der Stadt München.
Besonders stark war laut Haus und Grund der Rückgang bei Wohnungen mit 111 bis 112 Quadratmetern, da sei der Mietspiegel binnen zwei Jahren um 4,58 Prozent gesunken. Häuser dieser Baujahre lägen vor allem „in den beliebten Stadtteilen wie Neuhausen, Schwabing oder Haidhausen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende von Haus und Grund, Georg Hopfensperger, am Montag auf einer Pressekonferenz und ergänzte: „Ein Absinken der Miete für diese Wohnungen in den letzten zwei Jahren ist schlichtweg unrealistisch.“
Das Sozialreferat, das in der Stadtverwaltung für den Mietspiegel zuständig ist, widerspricht aber: „Haus und Grund macht es sich ein bisschen einfach“, erklärt eine Sprecherin der Behörde. Der Vermieterverein beziehe sich nämlich auf die Grundpreise im Mietspiegel, das sei „methodisch falsch“. Denn tatsächlich relevant sei die ortsübliche Vergleichsmiete, die für jede einzelne Wohnung von zahlreichen weiteren Kriterien abhänge. Dazu zählen etwa Zustand und Ausstattung der Wohnung. „Im Einzelfall“ aber, so die Sprecherin, bei einer besonderen Kombination von Merkmalen, könne es sein, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für eine Wohnung bei einem neuen Mietspiegel sinke, keinesfalls aber könne man das „pauschal“ sagen.
Insgesamt hat der Mietspiegel 2025, den der Stadtrat im März verabschiedet hat, einen Anstieg von 5,5 Prozent binnen zwei Jahren auf 15,38 Euro pro Quadratmeter ergeben, was in etwa der Inflation entspricht. Zwei Jahre zuvor allerdings hatte es einen Sprung um 21 Prozent gegeben. 2021 lag der Durchschnittswert noch bei 12,05 Euro. In den neuen Mietspiegel, den ein Marktforschungsinstitut und ein Statistik-Lehrstuhl der LMU im Auftrag der Stadt mit repräsentativen Methoden erstellt haben, sind 3000 Interviews mit detaillierten Fragen zu Merkmalen der Wohnung und des Mietvertrags eingeflossen.
Zwischen der Stadt und dem Mieterverein, die bei diesem Thema auf einer Linie liegen, auf der einen Seite sowie Haus und Grund auf der anderen Seite gibt es seit jeher einen Kampf um die Deutungshoheit über den Mietspiegel.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bezeichnet das Instrument wegen der gesetzlichen Vorgaben für die Erstellung als „Mieterhöhungsspiegel“. So dürfen nur Mietverhältnisse einfließen, die in den vergangenen sechs Jahren neu abgeschlossen oder verändert wurden. Stadt und Mieterverein fordern, dass auch ältere, meist günstigere Verträge und geförderte Wohnungen einfließen dürfen.
Haus und Grund dagegen moniert, der Mietspiegel würde wegen politischer Vorgaben bewusst niedrig gerechnet und bilde das Marktgeschehen ungenügend ab.
Bedeutsam ist dieser Streit, weil der Münchner Mietspiegel nicht nur den Anspruch hat, einen Überblick über die Mietkosten in 500 000 frei finanzierten Wohnungen zu geben, sondern auch, weil er ein rechtsverbindliches Instrument ist. Vermieterinnen und Vermieter müssen sich in der Regel bei Erhöhungen auf den Mietspiegel beziehen, sonst sind sie ungültig. Gerichte entscheiden anhand des Mietspiegels auch, ob eine Erhöhung zulässig ist oder ob sie etwa gegen die Mietpreisbremse verstößt.
Haus und Grund monierte am Montag auch, dass im neuen Mietspiegel neue Verträge nur zu 36 Prozent eingeflossen seien, diese lägen stets höher als geänderte Bestandsmieten, die zu 64 Prozent eingeflossen seien. Der Bundesgerichtshof aber fordere hier ein „ausgeglichenes Verhältnis“. Das Sozialreferat bestätigt die Zahlen, verweist aber darauf, dass der Gesetzgeber eine Mischung von Neuvertrags- und Bestandsmieten vorgebe, nicht aber die jeweiligen Anteile. Beim Mietspiegel 2023 habe der Anteil der Bestandsmieten bei 58 Prozent gelegen.