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Immobilien Überhöhte Mieten

Mit diesem Vorstoß will der Mieterbund dem Mietwucher den Garaus machen

Leitender Redakteur Immobilien
Altbau-Fasseden in der Südstadt in Köln. Die fast schon explodierenden Immobilienpreise in der Region um Köln und Bonn lassen die Kreditnachfrage bei Instituten wie der Kreissparkasse Köln sprunghaft ansteigen. Unterdessen tobt in Berlin der Kampf um Wohnraum in Zeiten von Corona: Eine Initiative sammelt Unterschriften, die Gesellschaft Deutsche Wohnen zu enteignen. (Themenbild, Symbolbild) Köln, 04.03.2021 Altbau-Fasseden in der Südstadt in Köln. Die fast schon explodierenden Immobilienpreise in der Region um Köln und Bonn lassen die Kreditnachfrage bei Instituten wie der Kreissparkasse Köln sprunghaft ansteigen. Unterdessen tobt in Berlin der Kampf um Wohnraum in Zeiten von Corona: Eine Initiative sammelt Unterschriften, die Gesellschaft Deutsche Wohnen zu enteignen. (Themenbild, Symbolbild) Köln, 04.03.2021
Altbauten sind bei vielen Mietern beliebt – nur die Mieten steigen auch dort oft über den legalen Rahmen hinaus
Quelle: picture alliance / Geisler-Fotopress
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Manche Vermieter verlangen eine Miete, die weit oberhalb der gesetzlich erlaubten Grenzen liegt. Mieter haben dann kaum realistische Möglichkeiten, ihr Recht einzuklagen. Mieterbund und Bundesrat wollen eine Reform, doch das Justizministerium bremst. Nun soll ein Gutachten helfen.

Die Mieten in Deutschlands größeren Städten steigen immer weiter und bringen viele Bürger an ihre finanzielle Belastungsgrenze. „Etwa sieben Millionen Mieterhaushalte sind mit ihren Wohnkosten überlastet und zahlen mehr als 30 Prozent ihres verfügbaren Nettohaushaltseinkommens für die Miete“, sagt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB).

Unterhalb der 30-Prozent-Schwelle gelten Mietwohnungen gemeinhin als erschwinglich, auch wenn dieser prozentuale Wert mit steigendem Einkommen immer unerheblicher wird.

Doch Durchschnittsverdiener haben es in der Tat schwer, wie etwa eine Statistik des Immobilienportals Immowelt zeigt (gehört wie WELT zu Axel Springer). Demnach müssen Singlehaushalte in 45 von 106 kreisfreien Städten inzwischen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für einen neuen Mietvertrag zahlen.

Nicht selten liegt die verlangte Miete sogar weit höher, und dieses Phänomen wird zu einem Problem. Der Mieterbund verlangt deshalb schon seit Längerem eine Reform des Mietwucher-Paragrafen im Wirtschaftsstrafrecht.

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Mietwucher liegt vor, wenn ein Vermieter einen Preis 20 oder 50 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt. „In der Praxis wird das Gesetz aber heute kaum angewendet, da die bürokratischen Hürden zu hoch sind“, bemängelt der Mieterbund – und nicht nur der.

Auch der Bundesrat ist für eine Reform und hat bereits vor zwei Jahren einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der es Mietern erleichtern soll, gegen Wuchermieten vorzugehen. Zuletzt forderte die Bauministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Ina Scharrenbach (CDU), im Gespräch mit WELT eine Verschärfung des Wucherparagrafen.

Bisher allerdings sperrt sich die Bundesregierung, insbesondere das Bundesministerium der Justiz (BMJ). Mit einem neuen Rechtsgutachten versucht der Mieterbund jetzt, die Argumente der Bundesregierung zu zerstreuen.

Gutachten-Autor Kilian Wegner von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) kommt zu dem Schluss: „Der Entwurf des Bundesrats ist verfassungsrechtlich unbedenklich.“

Zwei Paragrafen für Mietwucher

Für Mietwucher gibt es zwei Paragrafen im deutschen Recht. Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz definiert eine Miethöhe als unangemessen, wenn sie die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteigt und der Vermieter die Angebotsknappheit vor Ort gezielt ausnutzt.

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Der tatsächlich so bezeichnete „Mietwucher“ ist in Paragraf 291 des Strafgesetzbuchs definiert und liegt vor, wenn eine verlangte Miete mehr als 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt und der Vermieter die Unwissenheit oder Unerfahrenheit des Mieters ausnutzt.

„In den vergangenen Jahren ist der Nachweis von Mietwucher erheblich durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erschwert worden“, beklagt DMB-Präsident Siebenkotten. Bei der Präsentation des Gutachtens nannte Katharina Wagner, Leiterin des Amtes für Wohnungswesen in Frankfurt am Main, Beispiele: „In den Gerichtsverhandlungen muss per Gutachten ein zu geringes Angebot vor Ort nachgewiesen werden“, so Wagner.

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„Dann wird geklärt, ob die individuelle Lage des Mieters gezielt ausgenutzt wurde, es folgen Dutzende sehr detaillierter Fragen zu den Lebensumständen der Mieter: Wie viele Wohnungen hat er besichtigt, auf welchen Portalen hat er sich informiert, wo wurde er abgelehnt – und warum überhaupt habe er in Frankfurt nach einer Wohnung gesucht und nicht woanders?“

Aus Sicht der Amtsleiterin führe das zu absurden Verhandlungsabläufen, an deren Ende Mieter kaum eine Chance haben, einen offensichtlich überhöhten Preis rechtlich nachzuweisen.

Für Vermieter allerdings kann das fatale Folgen haben. Es drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro, und die zu viel gezahlte Miete muss ohnehin erstattet werden. „Uns geht es nicht ums Bußgeld“, versichert Wagner.

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Im vergangenen Jahr sei knapp ein fünfstelliger Betrag zustande gekommen, das sei „nicht der Rede wert“. „Es geht darum, dass Mieter weniger bezahlen und dass es Wohnraum auch für die Mittelschicht in der Stadt gibt.“ Auch viele andere Städte seien für eine Reform der Wucherparagrafen.

Jurist Wegner schlägt vor, die Mieter im Gesetzestext von zwei Beweislasten zu befreien: Zum einen müssen sie bisher vor Gericht darlegen, dass sie exakt diese eine Wohnung dringend benötigt haben – was in der Praxis kaum möglich ist. Zum anderen müssen sie darlegen, dass sie keine vergleichbare Wohnung gefunden haben. Genau diese beiden Regeln müssten gestrichen werden.

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„Das Justizministerium äußert zudem Zweifel in Bezug auf das Schuldprinzip“, so Wegner – ob ein Vermieter also mit Absicht so große Schuld auf sich lädt, dass man ein Bußgeld verlangen kann.

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„Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“, so der Jurist, „schon für die kleinsten Regelverstöße werden in Deutschland hohe Bußgelder verhängt.“ Und weiter: „Es scheint eher politische Gründe zu geben.“

Mietwucher ist zu unterscheiden von der Mietpreisbremse. Diese deckelt Neuvertragsmieten zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete. Allerdings gibt es etliche Ausnahmen, und Mieter müssen diese im Zivilrecht gesetzte Regel selbst einklagen.

Marktauswertungen zeigen, dass sich vor allem kommunale, genossenschaftliche oder größere private Vermietungsgesellschaften daran halten. Bei privat vermieteten Wohnungen dagegen wird das Instrument häufig ignoriert.

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