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Gastbeitrag von Gabor Steingart: Das Beste ist vorbei: Warum Gewinne an der Börse schrumpfen werden
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Handel an der New Yorker Börse
Mary Altaffer/AP/dpa Händler arbeiten auf dem Parkett der New Yorker Börse kurz nach der Eröffnungsglocke.
  • Gastautor (Berlin)

In letzter Zeit konnten viele Manager beeindruckende Gewinnsteigerungen verkünden. Diese Zeit des Überflusses dürfte jedoch bald vorbei sein, da vier Faktoren die Margen drücken. Die Wirtschaftsbosse müssen nun zeigen, was wirklich in ihnen steckt.

Unsere Manager sind besser als unsere Politiker. Das ist keine Meinungsäußerung, sondern eine Tatsachenbehauptung – zumindest, wenn man die Wachstumsraten zur Grundlage der Betrachtung macht.

  • Die Wachstumsraten von Ländern im Westen – Deutschland 0,1 und Amerika 2,5 – schwanken zwischen „peinlich“ (so Christian Lindner über die Stagnation in Deutschland) und solide. Dafür zeichnen die Regierungschefs und ihre Kabinette verantwortlich.
  • Die Gewinnzuwächse von Unternehmen sind die härteste Währung der Wirtschaft. In dieser Königsdisziplin liefern viele Manager selbst in schrumpfenden Volkswirtschaften Ergebnisse, die man nur als imposant bezeichnen kann.

 

So auch in Deutschland: Das gewinnstärkste Unternehmen war im vergangenen Jahr die Volkswagen AG mit einem operativen Gewinn von 22,6 Milliarden Euro (plus zwei Prozent zum Vorjahr). Platz zwei belegte die Deutsche Telekom mit einem operativen Gewinn von 20,8 Milliarden Euro (plus 35 Prozent). In München konnte man sich bei BMW über eine Steigerung des operativen Gewinns um 32 Prozent auf 18,5 Milliarden Euro freuen: Die operative Marge im Automobilbau, der wichtigsten Sparte der Bayern, stieg um 1,2 Prozentpunkte auf 9,8 Prozent.

Die Folge: Die Dax-Dividenden, die für das Jahr 2023 ausgezahlt werden sollen, wachsen um 2,4 Prozent auf 53,8 Milliarden Euro – ein Rekordwert.

Die Vorstandschefs von Siemens, Airbus und Co. müssen dafür nicht bei Olaf Scholz Danke schön sagen. Wenn die Vorstandschefs sich bedanken wollten, dann am ehesten bei den Notenbanken, die sie jahrelang mit günstigem Geld versorgt haben. Prof. Dr. Gunther Schnabl vom Flossbach von Storch Research Institute sagt zu The Pioneer:

„Ich führe den starken Anstieg der Gewinnmargen seit der Jahrtausendwende auf die zunehmend expansive Geldpolitik zurück, die die Finanzierungskosten der Unternehmen immer weiter gesenkt hat.“

Innerhalb der Branchen gibt es dennoch große Unterschiede. Weltweit ist laut einer Studie von EY der deutsche Traditionshersteller Mercedes-Benz mit einer Marge von 12,8 Prozent die profitabelste Autofirma der Welt. Teslas Marge rutschte aufgrund der Rabatte im vorigen Jahr deutlich von 16,8 auf 9,2 Prozent ab – und die Aktie gleich mit.

Innovationen treiben Gewinnmargen

Die wichtigsten Treiber für hohe Gewinnmargen sind allerdings nicht die Notenbanken, sondern jene Innovationen, die das Publikum begeistern und den Wettbewerber deklassieren. An der Technologie-Börse Nasdaq liegt die durchschnittliche Gewinnmarge bei derzeit 31,3 Prozent, was wiederum die Aktienkurse beflügelt .

Ein Unternehmen wie Apple erwirtschaftet laut dem Marktforschungsinstitut Forrester bei Produkten wie dem iPhone eine Marge von rund 36 Prozent, bei Online-Services wie Apple TV, Apple Music und Co. sind es 71 Prozent. Der Chipdesigner Nvidia kommt auf eine Nettomarge von insgesamt fast 56 Prozent.

Angesichts dieser Zahlen und den immer neuen Rekorden an den Technologie-Börsen stellt sich mit großer Dringlichkeit die Frage: Wie lange noch? Wann schrumpfen die Gewinnmargen und damit auch die Aktienkurse?

Karen Ward, Chefin Marktstrategien für Europa und den Nahen Osten bei JP Morgan Asset Management, gibt eine klare Antwort:

 „Wir denken, dass die Gewinnerwartungen für 2024 nach unten korrigiert werden müssen.“

Es gibt vier Gründe, warum sie recht haben dürfte und eine Schrumpfung der Gewinnmargen eher wahrscheinlich ist:

1. Löhne setzen die Gewinne unter Druck

Die Gewinnmargen steigen, solange die Nachfrage höher ist als das Angebot. Das war insbesondere nach der Pandemie der Fall. Die Preise stiegen. Und plötzlich war sie da: die Inflation.

Nun setzt ein sogenannter Zweitrundeneffekt ein. Denn die gestiegenen Preise schlagen sich in den Lohnforderungen der Arbeitnehmer nieder. Die Folge: Die Tarifpolitiker der Gewerkschaften versuchen, die Preissteigerungen zu überbieten. Der Preiserhöhungs-Spielraum der Unternehmen wird durch die Lohnpolitik limitiert.

2. Geldpolitik begrenzt Wachstum

Diese Lohn-Preis-Spirale hat die Notenbanken in aller Herren Länder alarmiert. Die Fed in Washington hat mit insgesamt elf Zinserhöhungen in 24 Monaten die Geldbeschaffungskosten erheblich gesteigert. Die EZB zog hinterher.

Die Firmen müssen nun Marge opfern, wenn sie investieren wollen. Die Zeiten des risikolosen Zinssatzes sind vorbei.

Dass sich die Gewinnmargen der Unternehmen dennoch gerade auf einem sehr hohen Niveau bewegen, dürfte daran liegen, dass staatliche Maßnahmen wie der Green Deal in Europa und der Inflation Reduction Act in den USA die Dämpfung durch die Notenbanken konterkarieren.

In den USA hat Joe Biden die Staatsausgaben derart gesteigert, dass er 2023 mehr als eine Billion Dollar an Zinszahlungen aufbringen musste. Auch in Europa sind Staaten wie Italien und Frankreich stark in die Verschuldung gegangen.

Deshalb wird der dämpfende Effekt der Zinspolitik auf die Gewinne nicht ausbleiben. Aber er verzögert sich. Die Firmen lieben das staatliche Deficit Spending.

3. Fachkräftemangel bedroht Gewinnwachstum

Die Babyboomer gehen in den Ruhestand und plötzlich fehlt es überall an Fachkräften. Auch deshalb dürfte es schwerfallen, die hohen Gewinnmargen zu halten. Prof. Thomas Mayer, der Chef des Research Institute des Vermögensverwalters Flossbach von Storch, sagt:

„Demografisch bedingte Arbeitskräfteknappheit erhöht den Inflationsdruck und sollte die Geldpolitik zum Handeln bringen.“

Ob durch Zuwanderung der Druck auf den Arbeitsmarkt abgemildert werden kann, ist umstritten. Im Einwanderungsland USA dürfte dies eher funktionieren als in Deutschland. Hierzulande ist die Zuwanderung in den Sozialstaat stärker als die in den Arbeitsmarkt.

4. Gewinnschub durch die KI?

Können neue Technologien wie Künstliche Intelligenz dabei helfen, Gewinnmargen zu erhöhen? Laurent Denise von der Oddo BHF geht davon aus, „dass die Stabilisierung der Nettomargen auf hohem Niveau (von einem möglichen Anstieg ganz zu schweigen) stark davon abhängt, wie schnell Produktivitätssteigerungen durch Künstliche Intelligenz erzielt werden können.“

Der Einsatz von KI in den Unternehmen ist noch nicht sehr weit fortgeschritten. Nach aktuellen Zahlen von Goldman Sachs nutzen nur vier Prozent aller US-Firmen generative KI.

Prof. Gunther Schnabl ist mit Blick auf Margenausweitungen durch KI ebenfalls skeptisch. Er meint:

„Das kann für besonders innovative Unternehmen, die eine Monopolstellung haben, der Fall sein. Wenn aber Wettbewerb unter den Unternehmen herrscht, dann sind die Unternehmen gezwungen, die Kostenersparnisse an die Kunden in Form von Preissenkungen weiterzugeben.“

 

Manager müssen zeigen, was wirklich in ihnen steckt

Fazit: Hohe Zinsen, deutliche Lohnsteigerungen und Arbeitskräfteknappheit dürften tendenziell zu einem Rückgang der Gewinnmargen führen. Prof. Dr. Thomas Mayer von Deutschlands größtem Vermögensverwalter zu The Pioneer:

„Das Beste dürften wir gesehen haben. Wenn alles gut geht, bleiben die Margen hoch. Aber das Risiko einer Schrumpfung dürfte größer sein als die Chance weiterer Steigerungen.“

In diesem stürmischen Umfeld müssen die Manager nun zeigen, was wirklich in ihnen steckt. Jetzt ist Pioniergeist gefragt – bei den Produkten, den Dienstleistungen und den Strukturen der Konzerne. Oder um es mit Steve Jobs zu sagen:

„Innovation distinguishes between a leader and a follower.”

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