Richter im Reichsbürgerprozess :
Spektakuläre Fälle sind für ihn nichts Neues

Von Rüdiger Soldt, Stuttgart
Lesezeit: 3 Min.
Joachim Holzhausen am Montag im Gerichtssaal
Joachim Holzhausen hat viel Übung darin, komplizierte Verhandlungen sachlich und fair zu führen. Über den Richter im ersten „Reichsbürgerverfahren“.

Die Strafverfahren gegen die sogenannten Reichsbürger werden für Richter, Staatsanwälte, Angeklagte und Verteidiger ausgesprochen nervenaufreibend. Das liegt schon daran, dass die insgesamt 27 Verdächtigen den Staat beziehungsweise dessen Rechtssystem, vor dem sie sich verantworten müssen, gleichzeitig für nichtexistent und vor dem unmittelbaren Zusammenbruch stehend halten.

An diesem Montag eröffnet Joachim Holzhausen die Hauptverhandlung des ersten Staatsschutzverfahrens in Saal 1 des neuen Hochsicherheitsgebäudes in Stuttgart-Stammheim. Angeklagt sind neun Verdächtige, die dem sogenannten militärischen Arm der Verschwörergruppe um den Frankfurter Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß angehört haben sollen.

Der 62 Jahre alte Vorsitzende des dritten Strafsenats für Staatschutz gehört zu den erfahrensten Richtern des Stuttgarter Oberlandesgerichts. Holzhausen gilt als Verhandler mit diplomatischem Geschick – fleißig, durchsetzungsstark und empathisch. Ihm gelang es in früheren Verfahren, auch schwierige Angeklagte zum Reden zu bringen.

Holzhausen studierte in Tübingen Rechtswissenschaften und trat 1991 in den baden-württembergischen Justizdienst ein, zunächst als Staatsanwalt. Ende der Neunzigerjahre war er ins Justizministerium abgeordnet, das damals Ulrich Goll (FDP) führte. Seit 2000 gehörte er als Beisitzer und Stellvertreter verschiedenen Strafsenaten an, 2006 wurde er zum Planrichter am Oberlandesgericht befördert.

Einmal musste die Polizei einen Prozess sichern

Ein aufsehenerregendes Verfahren, das Holzhausen führte, war 2008 das gegen einen deutschen Ingenieur, der mit dem Export von Anlagen zur Urananreicherung nach Afrika gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen hatte. Im Jahr 2009 wechselte Holzhausen an eine Jugendstrafkammer des Landgerichts. Er musste sich dort mit dem Fall des „Cannstatter Betonmörders“ befassen: 2007 hatte ein 16 Jahre alter psychotischer Täter den 19 Jahre alten Gymnasiasten Yvan Schneider auf einer Streuobstwiese getötet und die Leiche zerstückelt. 2018 musste Holzhausen dann über den Antrag der Staatsanwaltschaft entscheiden, ob für den Täter nach Verbüßung einer zehnjährigen Jugendhaftstrafe die Sicherungsverwahrung angeordnet werden sollte. Der Richter konnte „kein eindeutiges Überwiegen negativer Prognosekriterien“ bei dem zweifelsohne hochgefährlichen Mann feststellen.

Einen weiteren nervenaufreibenden Prozess führte Holzhausen als Vorsitzender Richter 2018 gegen die Stuttgarter Rockergruppierung „Osmanen Germania“ und ihren Anführer, es ging um Gewalttaten gegen Aussteiger und Massenschlägereien. Ähnlich wie im jetzigen Reichsbürgerverfahren konnte das Gericht auch in diesem Prozess kaum auf Geständnisse oder Zeugenaussagen bauen. Die unterschiedlichen Rockergruppierungen versuchten sogar wiederholt, ihre Auseinandersetzungen auch auf den Besucherbänken im Stammheimer Mehrzweckgebäude auszutragen. Nur durch ein massives Aufgebot von Polizei und Justizwachtmeistern konnte der Prozess überhaupt öffentlich geführt werden.

Holzhausen hat viel Übung darin, auch in den schwierigsten Konstellationen die Verhandlung mit dem Willen zur sachlichen und fairen Aufklärung zu führen und das Urteil so revisionssicher wie möglich zu machen. Die Aufspaltung eines der größten Staatsschutzverfahren gegen Terroristen in der Geschichte auf drei Oberlandesgerichte ist neu und ungewöhnlich. In jedem Hauptverfahren muss der Nachweis erbracht werden, dass es sich bei den Reichsbürgern überhaupt um eine terroristische Vereinigung handelt.