Berlusconi-Großaktionär :
Wer setzt sich im Machtkampf bei Pro Sieben Sat 1 durch?

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Bert Habets hat vor eineinhalb Jahren den Vorstandsvorsitz von Pro Sieben Sat.1 Media SE übernommen. 
Auf der anstehenden Hauptversammlung des Medienkonzerns stellt sich die Machtfrage: Setzt sich der Vorstand oder der Berlusconi-Großaktionär durch?

Der führende deutsche Privatsender steht vor einer Zerreißprobe. Am kommenden Dienstag prallen auf der Hauptversammlung von Pro Sieben Sat.1 die unterschiedlichen Vorstellungen des Managements und des italienischen Hauptaktionärs Media for Europe (MFE) der Berlusconi-Familie zusammen. Vor gut vier Wochen hatte der italienische Fernsehkonzern Schockwellen nach München geschickt, indem er die Aufspaltung von Pro Sieben Sat.1, mehr Aufsichtsratsvertreter und zusätzliche Macht für den Aufsichtsrat forderte.

Der Vorstand der deutschen Sendergruppe mit angeschlossenen Internetbeteiligungen hat empfohlen, gegen die entsprechenden Hauptversammlungsanträge zu stimmen. Ein wichtiger Streitpunkt ist die Frage, wie sich Pro Sieben Sat.1 stärker auf das Kerngeschäft der Fernsehunterhaltung konzentrieren soll – durch schrittweise Verkäufe von Tochtergesellschaften in den Bereichen Dating & Video und Commerce & Ventures, wie es sich der Vorstand in Deutschland wünscht und begonnen hat; oder durch eine Aufspaltung in zwei voneinander unabhängige Gesellschaften, eine fürs Fernsehen und eine andere für den Rest. Die Pro-Sieben-Sat.1-Aktionäre hielten dann zwei Aktien. „Ziel ist es, die Trennung der Geschäftsaktivitäten und die Fokussierung auf das Kerngeschäft zu beschleunigen. Der Pro-Sieben-Sat.1-Vorstand hat wiederholt seine Absicht zur Separierung der Segmente geäußert, insoweit aber bislang keine wesentlichen Fortschritte erzielt“, teilte MFE mit.

In Unterföhring spricht man inzwischen ganz offen von einem „feindseligen Akt“ des Großaktionärs aus Mailand. Dabei hat sich Bert Habets, als er vor eineinhalb Jahren den Vorstandsvorsitz übernommen hatte, früh um ein gutes Verhältnis zu den Italienern und auch um mehr Zusammenarbeit mit ihnen bemüht. „Wir schauen gerade, auf welchem Gebiet Kooperationen sinnvoll sind, und sind hier auch in interessanten Diskussionen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Technik und in der Werbetechnologie“, sagte der Holländer noch Anfang Februar im Gespräch mit der F.A.Z.

Unterstützung von internationalen Stimmrechtsberatern

Jetzt ist der Ton um einiges schärfer. Und in der Sache liegen Vorstand und Großaktionär ebenso auseinander. Eine komplette Abspaltung sämtlicher Digitalunternehmen, zu denen auch die börsennotierte Datingsparte Parship Meet und die Erlebnismarke Jochen Schweizer gehören, würde Pro Sieben Sat.1 in eine finanzielle Schieflage bringen, warnt Habets. Denn die Schulden von mehr als 1,5 Milliarden Euro würden dann zum großen Teil im Entertainmentgeschäft mit den 15 Fernsehsendern bleiben – und sich somit auf Umsätze von 2,6 Milliarden Euro verteilen und nicht wie bisher auf 4 Milliarden Euro.

MFE ist vor fünf Jahren bei den Bayern eingestiegen und hält fast 30 Prozent der Anteile. Die übrigen 70 Prozent sind zu aktuellen Marktpreisen gut 1,2 Milliarden Euro wert. Die Aktien des Medienkonzerns, die in den vergangen drei Jahren um fast 60 Prozent gefallen waren, verteuerten sich wieder um rund ein Fünftel, seit die Italiener die Aufspaltung von Pro Sieben Sat.1 vorgeschlagen haben. Für eine solche Zerschlagung benötigt der Großaktionär eine Dreiviertelmehrheit. Ob er diese Zustimmung bekommt, hängt maßgeblich vom zweiten Großaktionär ab, der tschechischen Beteiligungsfirma PPF, die mehr als 15 Prozent der Aktien besitzt. Bisher ist nicht bekannt, ob die Tschechen den Kurs der Italiener unterstützen oder nicht. Sie beanspruchen aber ebenfalls wie MFE einen weiteren Sitz im Aufsichtsrat von Pro Sieben Sat.1.

Dazu schlägt PPF der Hauptversammlung als unabhängigen Kandidaten Christoph Mainusch vor, der einst wie Habets für RTL gearbeitet hat. Bisher ist PPF nur mit Klára Brachtlová in dem Gremium vertreten. MFE kündigte an, zwei eigene Kandidaten für den Aufsichtsrat zu nominieren. Außerdem solle der frühere Wirtschaftsprüfer und Corporate-Governance-Experte Rolf Nonnenmacher abgewählt und durch einen anderen Wirtschaftsprüfer ersetzt werden, fordert MFE. Für diese Kampfkandidaturen brauchen sie nur die einfache Mehrheit der Hauptversammlung. Das Management von Pro Sieben Sat.1 kann auf Unterstützung von internationalen Stimmrechtsberatern wie ISS und Glass Lewis setzen, die den Aktionären eine Ablehnung der MFE-Vorschläge empfehlen. Auf der anderen Seite hat sich der Pro-Sieben-Sat.1-Aktionär Amber mit seinem rund 1 Prozent am Kapital für den MFE-Vorstoß ausgesprochen.

Die Deutschen sind dagegen skeptisch

Die Italiener betonen indes, dass sie die Zerschlagung nicht als einzigen Weg für die Genesung des deutschen Senders sehen. Dass Pro Sieben Sat.1 im April Verkaufsprozesse für die Tochtergesellschaften Flaconi und Verivox eingeleitet hat, begrüßt MFE ausdrücklich, doch es verbleiben Meinungsunterschiede über die Dringlichkeit der Aktion. Pro Sieben Sat.1 gibt zurück, dass eine Aufspaltung ohnehin erst nach einer weiteren Hauptversammlung möglich sei und damit erst im nächsten Jahr. Das bestätigt MFE.

Steht hinter all dem Gerangel der italienische Wunsch nach einer Vollübernahme von Pro Sieben Sat.1? MFE ist neben Italien auch im spanischen Fernsehgeschäft aktiv und hält die Idee eines länderübergreifenden Fernsehkonzerns für sinnvoll. Gerade auf technologischer Seite – mehr als bei den Programmen – seien Synergien erzielbar, heißt es. Die Deutschen sind dagegen skeptisch. Dabei streitet MFE eine Übernahmeabsicht für Pro Sieben Sat.1 ab: „Vor drei Monaten notierte der Kurs von Pro Sieben Sat.1 noch bei etwa 5,5 Euro, und zu diesem Zeitpunkt haben wir keine Offerte gestartet, jetzt liegt der Kurs näher an 8 Euro. Das ist vielleicht das beste Beispiel, um zu zeigen, dass wir nicht an einer Übernahme interessiert sind“, sagte der Finanzvorstand Marco Giordani vor einer guten Woche vor Analysten.