Schienensanierung :
Baufirmen befürchten Verzögerungen im Netzausbau

Lesezeit: 3 Min.
Schienensanierung: Baufirmen befürchten Verzögerungen im Netzausbau
Mit einem groß angelegten Sanierungsprogramm will die Bahn das marode deutsche Schienennetz bis 2030 modernisieren. Allein in diesem Jahr werden 2000 Kilometer Gleise erneuert. Doch noch immer fehlen einige Milliarden Euro in der Finanzierung.

In diesem Jahr will die Deutsche Bahn mit ihrer nach eigener Einschätzung größten Infrastrukturoffensive beginnen: Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen rund 40 Bauprojekte das überalterte Schienennetz hierzulande auf einen modernen Stand bringen. Davon verspricht man sich in erster Linie, die derzeit rekordtiefe Pünktlichkeitsquote im Zugverkehr deutlich zu verbessern. Für das Vorhaben stehen viele Milliarden Euro zur Verfügung, doch nach aktuellem Stand noch immer viel zu wenig.

Weiterhin klafft eine Lücke von 17 Milliarden Euro in der Finanzierung, wie der Konzernbeauftragte Gemeinwohlorientierte Infrastruktur der DB AG, Tobias Heinemann, vorrechnet. Denn der auf 87 Milliarden Euro bezifferte Gesamtbedarf für die Bauprojekte bis zum Jahr 2030 ist derzeit zwar zu einem großen Teil gedeckt, aber eben nicht komplett. Demnach sind im aktuellen Haushalt für den Zeitraum 2024 bis 2027 Gelder in Höhe von 42 Milliarden Euro angesetzt. Dazu gesellt sich jedoch ein zusätzlich angemeldetes Bedarfsvolumen von 45 Milliarden Euro, von dem aber bislang erst 28 Milliarden Euro finanziell abgesichert sind.

Heinemann, einst Chef des Nahverkehrsanbieters Transdev, des größten Zugwettbewerbers des Staatskonzerns hierzulande, hält sich zurück mit allzu offensiven Forderungen an die Adresse des Eigners Bund. „Nie hat es so viel Geld für das System Schiene gegeben wie in dieser Regierung“, sagt er. Es gebe die gemeinsame Absicht von Bundesregierung und Bahn, dafür zu kämpfen, dass die zusätzlich benötigten Mittel in den kommenden Haushalten „abgebildet“ würden.

Mittelbereitstellung musste angepasst werden

Weniger entspannt zeigen sich die Unternehmen, die von den Bauvorhaben profitieren. Laut der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen (BVMB) hat die bahneigene Infrastrukturgesellschaft DB Infra Go den Spitzenverbänden der Bauwirtschaft gerade ein Schreiben geschickt. Das gemeinwohlorientierte Unternehmen, das Anfang des Jahres als Nachfolger der DB-Tochtergesellschaften DB Netz und DB Station & Service entstand, informiert darin, dass sich die Vergabevorschau für die anstehenden Bauprojekte vom ersten Quartal in den Herbst verschiebe. Die Mittelbereitstellung für die Schieneninfrastruktur habe angepasst werden müssen, konkret würden 17 Milliarden Euro bis 2027 fehlen. Klar: Es handelt sich um die von Heinemann aufgezeigte Finanzlücke.

„Das ist fatal“, findet BVMB-Hauptgeschäftsführer Michael Gilka. „Dem Schreiben entnehmen wir die klare Botschaft, dass sich die geplanten Vergaben von Projekten aus dem Bedarfsplan schon wieder nach hinten verschieben – und es bleibt bis Herbst schon einmal völlig unklar, über welche Zeiträume wir hier eigentlich reden, bis die angekündigten Projekte tatsächlich auf den Markt kommen.“ Die Industrie vermisst vor allem Planungssicherheit. Es fehle die Verlässlichkeit, die man brauche, um vernünftig Kapazitäten aufbauen zu können. „Völlig unzumutbar“, wettert Gilka.

Man wolle sich nicht „sklavisch“ an einen Plan halten

Infra-Go-Vorstandschef Philipp Nagl versichert unterdessen, man halte an den 40 Projekten im Rahmen des sechs- bis siebenjährigen Infrastrukturprogramms fest. Es könne zwar dazu kommen, dass der eine Baukorridor ein Jahr vor und ein anderer nach hinten verschoben werde, wenn es sinnvoll sei. Man wolle sich nicht „sklavisch“ an einen Plan halten, sondern es vernünftig machen, auch wenn Kritik komme. Er glaube aber nicht, dass sich an der „Grundlogik“ etwas ändern werde – und die geht von grundsätzlich fünf Monate langen Bauzeiträumen aus.

Am 15. Juli, direkt nach dem Ende der Fußballeuropameisterschaft, geht es mit einem der drängendsten Projekte los: der Sanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim, einer der höchstbelasteten Strecken im deutschen Schienennetz. Die Bauarbeiten dort, verbunden mit einer Vollsperrung der Strecke, sollen sich bis Weihnachten hinziehen.

Insgesamt will die Bahn 2024 mehr als 2000 Kilometer Gleise, 2000 Weichen, 150 Brücken und 1000 Bahnhöfe erweitern, modernisieren und erneuern. Die Investitionen von DB, Bund und Ländern in die Schieneninfrastruktur summierten sich dabei in diesem Jahr auf rund 16,4 Milliarden Euro. „Zum ersten Mal seit vielen Jahren wird es uns 2024 gelingen, die Überalterung der Eisenbahninfrastruktur zu stoppen“, gibt sich Infra-Go-Chef Nagl überzeugt. Im aktuellen Netzzustandsbericht (für 2022) wird der „altersbasierte Nachholbedarf“ auf 103,4 Milliarden Euro beziffert.