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Kiews Bürgermeister vs. ukrainischen Präsidenten Klitschko klagt über schlechtes Verhältnis zu Selenskyj

»Wahrscheinlich hat er anderes zu tun«: Vitali Klitschko bemüht sich nach eigenen Angaben vergebens um ein klärendes Treffen mit Präsident Selenskyj. Dafür sparte er nicht mit Kritik an der Staatsspitze.
Bürgermeister Vitali Klitschko (am 7. Februar in Kiew)

Bürgermeister Vitali Klitschko (am 7. Februar in Kiew)

Foto: dpa

Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko hat sich ausführlich zu der Situation in der ukrainischen Hauptstadt geäußert – und mit klaren Worten auf das problematische Verhältnis mit der Führung des Landes hingewiesen. Er bemängelte mit Blick auf sein Verhältnis zu Präsident Wolodymyr Selenskyj einen mangelnden Zusammenhalt der führenden Politiker in der Ukraine.

»Leider gibt es in dieser Kriegszeit keine Einheit zwischen den politischen Kräften«, sagte Klitschko den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Ein Treffen mit Selenskyj, um die Spannungen zwischen den beiden abzubauen, sei schwierig. Seit Beginn des Krieges, so Klitschko, habe er das zigmal versucht, denn von der Hauptstadt hänge viel ab. »Aber leider hatte ich nicht die Gelegenheit, Selenskyj persönlich zu treffen. Wahrscheinlich hat er anderes zu tun.«

Bei den eigenen Ambitionen auf das Präsidentenamt verweist Klitschko auf die Zeit nach dem Krieg: »Heute geht es nicht um Träume, jetzt muss es um den Wunsch gehen, den Krieg zu gewinnen, den Krieg zu beenden und wieder Frieden zu haben. Danach können wir über politische Ambitionen reden.«

Es gebe viel zu viele Politiker, auch in der Zentralregierung, für die auch jetzt persönliche Ambitionen wichtiger seien als die Interessen des Landes. Der Kiewer Bürgermeister warf der Zentralregierung zudem vor, zu wenig gegen die Korruption im Land zu tun.

Auf die Frage, ob die Regierung bei der Korruptionsbekämpfung auf einem guten Weg sei, sagte Klitschko: »Diese Frage können Sie jedem Bürger stellen und ich bin sicher, jeder Bürger sagt: ›Nein‹.« Er selbst habe »genau dieselbe Meinung«.

Selenskyj hat immer wieder einen rigorosen Kampf gegen Korruption und Veruntreuung von Mitteln im Staatsapparat angekündigt. Der Nachweis von Erfolgen bei diesem Kampf gilt auch als Voraussetzung für eine EU-Mitgliedschaft seines Landes. Erst vor wenigen Tagen hatte Agrarminister Mykola Solskyj aufgrund von Korruptionsvorwürfen seinen Rücktritt eingereicht. Das ukrainische Antikorruptionsbüro wirft ihm vor, er habe sich ungesetzlich staatliche Grundstücke im Wert von Millionen angeeignet.

Bürgermeister: Radius der Luftabwehr muss größer werden

Schließlich forderte Klitschko auch noch mehr internationale Unterstützung bei der Luftabwehr. »Wir haben ein Defizit an Luftabwehrsystemen«, sagt Klitschko. In der ukrainischen Hauptstadt würden feindliche Drohnen in einem engen Radius um die Stadt abgeschossen. Da Teile der abgeschossenen Raketen heruntergefallen seien, müsse der Radius erweitert werden. »Die Drohnen und Raketen müssen schon auf ihrem Weg in die Hauptstadt abgeschossen werden können.« Deshalb sei mehr Unterstützung für die Luftverteidigung nötig.

Nach zwei Jahren Krieg seien die Schäden in Kiew enorm. Durch die Luftangriffe seien mehr als 800 Gebäude beschädigt und zerstört worden, darunter fast 440 Wohnhäuser. Mehr als 200 Menschen seien bei den Luftangriffen ums Leben gekommen. Es gehe aber nicht nur um Kiew: Auch die Bürger in Odessa, in Dnipro oder Charkiw bräuchten einen guten Schutz.

jok/Reuters