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Olympia Schwimmen

Als es eigentlich vorbei ist, folgt der emotionalste Moment

Sport-Redakteurin
Deutsche Meisterschaften Schwimmen: Marek Ulrich Deutsche Meisterschaften Schwimmen: Marek Ulrich
Finale Chance: Marek Ulrich wagt einen letzten Versuch
Quelle: Melanie Haack
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Die Deutschen Meisterschaften sind beendet, die Olympiatickets vergeben, da kommt es in der Schwimmhalle zu einem Gänsehautmoment. Denn ganz vorbei ist es nicht: Ein einzelner Schwimmer betritt die Halle. Es ist seine finale Chance.

Keinen hält es mehr auf seinen Plätzen. Zuschauer, Sportler, Trainer – alle haben sich von ihren Sitzen in der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark Berlin erhoben. Sie schreien, klatschen, pfeifen. Ähnlich laut und über alle Vereinsgrenzen vereinend war die Stimmung am Donnerstagabend, als Lukas Märtens in einem phänomenalen Rennen nur knapp am Weltrekord von Paul Biedermann vorbeischrammte.

Dieses Mal geht es um etwas anderes. Jetzt schreit das Publikum Marek Ulrich nach vorn. Es ist sein Rennen, ganz alleine seines. Niemand sonst schwimmt. Ulrich auf Bahn vier, links und rechts von ihm nur Leere, noch einmal 100 Meter Rücken, seine finale Chance. Gegen die Zeit und für seinen letzten sportlichen Traum vom Olympiastart in Paris, an dem er eigentlich gescheitert war. Als der 27-Jährige wenige Minuten vorher aus den Katakomben ins Scheinwerferlicht hinter dem Startblock getreten war, da wusste er: „Dies wird das letzte Rennen meiner Karriere sein, wenn ich die Olympianorm nicht schaffe.“ Seine Unsicherheit war in den Tagen zuvor groß gewesen, das Vertrauen seines Trainers Frank Embacher jedoch größer.

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Jetzt, zehn Meter vor dem Anschlag, ist weiterhin noch alles offen: Es könnten die letzten Armzüge in Ulrichs Sportkarriere sein. Er könnte anschlagen, aus dem Becken steigen – und das war‘s. Oder aber es sind die letzten Armzüge zur Erfüllung seines Traumes. Es wird, das steht fest, um wenige Hundertstelsekunden gehen. Die letzten Meter sind ein reiner Kampf.

„Es war ein bisschen aussichtslos“

Eigentlich hatte Ulrich, der in seiner Jugend mehrere deutsche Jahrgangsrekorde aufgestellt hatte, seine Karriere bereits 2018 beendet. 2019 gab er sein Comeback und qualifizierte sich später für die Olympischen Spiele 2021 in Tokio. Seine Bilanz dort: Platz 13. über 100 Meter Rücken, Einsätze in der Lagen- sowie in der Mixed-Staffel. Danach aber schwand die Leidenschaft für Spitzensport.

Rückenspezialist Marek Ulrich auf dem Weg zur Anschlagmatte - wird es reichen?
Rückenspezialist Marek Ulrich auf dem Weg zur Anschlagmatte - wird es reichen?
Quelle: dpa/Michael Kappeler

„Ich hatte nach den Spielen Motivationsprobleme, war mit dem Kopf nie 100 Prozent dabei“, erzählt er. Daran änderte später auch der Countdown Richtung Paris erst einmal nichts. „Selbst in der Olympiasaison ist mir aufgefallen, dass ich nicht so brenne, wie vor Tokio. Ich bin erst im Januar wirklich wach geworden, habe die Weichen Richtung Olympia-Qualifikation gestellt und es mit Vollgas versucht. Es war ein bisschen aussichtslos.“ Aber entmutigt hat ihn das nicht, er blieb dran, wollte sich zumindest für die letzten drei Monate bis zum Qualifikationszeitraum nichts vorwerfen lassen.

Am vergangenen Donnerstag dann wollte er als zweiter deutscher Schwimmer nach Ole Braunschweig die Olympia-Norm des Verbandes knacken. 53,74 Sekunden lautet sie, Braunschweig schwamm vor einer Woche 53,48 Sekunden und sicherte sich nun auch den deutschen Meistertitel vor Ulrich. Dass Braunschweig in 54,21 hinter der Norm blieb, hat keine Relevanz für Paris – er ist bereits fest qualifiziert –, Ulrichs 54,43 Sekunden aber reichten nicht. Aus der Traum von Paris. „Ich war nach Donnerstag sehr fertig und wusste: Es ist nicht mehr drin“, sagt Ulrich.

Nur Hundertstel zwischen Paris und Karriereende

Sein Trainer Frank Embacher sah das anders und brachte die Möglichkeit eines Time Trials auf: ein offizielles Rennen gegen die Uhr, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Das Reglement lässt diese Möglichkeit innerhalb von Wettkämpfen zu, es liegt jedoch beim Veranstalter, diese Möglichkeit auch vorher in die Ausschreibung mitaufzunehmen und das Ergebnis später offiziell im Protokoll zu nennen. Grundsätzlich war bei den Deutschen Meisterschaften vorgesehen, dass es Time Trials geben kann, die dann beantragt werden und im übergeordneten Interesse stehen müssen. Die Wettkampfleitung entscheidet schließlich darüber.

Frank Embacher konnte Ulrich überzeugen – und die Wettkampfleitung stimmte zu. Kein leichtes Unterfangen und auch ein Wagnis. Kein Konkurrent links und rechts, der antreibt, dazu alleine im Rampenlicht und damit im Fokus – eben auch, wenn es nicht klappt.

Zurück ins Rennen. Auf den letzten Metern steht zumindest eines fest: Ulrichs Zeit wird besser sein als im Finale am Donnerstag, doch seine Arme werden schwer, die Züge kürzer. Er schlägt an – und der Jubel auf den Zuschauerrängen ist riesig. 53,71 Sekunden blinkt auf der Anzeigetafel auf, um drei Hundertstel hat er die Norm unterboten. Ulrich reckt die Faust gen Himmel, und vom Beckenrand läuft sein Trainer herbei. Der 27-Jährige feiert, lässt sich feiern und sagt dann völlig außer Atem und euphorisch zugleich ins Hallenmikrofon: „Danke Berlin, Ihr seid der Hammer!“

Noch einmal alles geben

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Ein paar Minuten später in den Katakomben ergänzt der 27-Jährige dann: „Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Ich bin dankbar, dass Herr Embacher so hartnäckig war und mich zu diesem Time Trial überredet hat. Es bedeutet mir viel, das geschafft zu haben.“

Wie er es denn geschafft habe, wie er den Schalter umgelegt hat? Ulrich überlegt nicht lange: „Es war ein bisschen Wut dabei. Wir haben außerdem noch ein paar Technikübungen gemacht. Und die Stimmung hier in der Halle hat mich beflügelt, ich habe die Geräuschkulisse unter Wasser mitbekommen. Wahnsinn. Ich habe am Ende sehr gelitten, aber mich hat die Halle getragen.“ Und noch etwas kam hinzu: das Wissen, um was es ging. Dass es das letzte Rennen seiner Karriere sein würde, wenn er die Norm nicht schafft. „Das war die größte Motivation“, sagt Ulrich. „Noch einmal alles geben, egal, wie sehr es wehtut.“

Als Zeichen seines zuvor unvollendeten Traumes hatte er das Tattoo der olympischen Ringe auf seinem rechten Oberarm nicht zu Ende stechen lassen. Der fünfte Ring ist nicht geschlossen. Wenn er aus Frankreich zurück kommt, wird sich das ändern. „Den einen Ring schließe ich jetzt mit Paris.“

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