Verstaatlichung :
Moskau greift nach Tochterunternehmen von Bosch und Ariston

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BSH-Werk in Russland
Deutschland und Italien kritisieren, dass Putin zwei ausländische Unternehmen unter die Kontrolle des staatlichen Gazprom-Konzerns stellt. Ein Schritt, der einer Enteignung gleichkommt.

Deutschland und Italien protestieren scharf gegen die Entscheidung Russlands, die russischen Tochterunternehmen des deutschen Hausgeräteherstellers BSH und des italienischen Heiztechnik-Spezialisten Ariston unter die „vorläufige Aufsicht“ des staatlichen Energieversorgers Gazprom zu stellen. „Wir verurteilen die angeordnete Zwangsverwaltung und behalten uns in enger Abstimmung mit Italien eine weitere Reaktion vor“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Italiens Außenminister Antonio Tajani bestellte den russischen Botschafter in Rom ein, um eine Klarstellung zu verlangen. Man werde versuchen, die italienischen Unternehmen zu schützen und stehe mit der Bundesregierung und der Europäischen Union in Kontakt, teilte Tajani mit.

In Moskau hatten Behörden am Freitag ein auf Donnerstag datiertes Dekret von Staatschef Wladimir Putin veröffentlicht, das die Kontrolle der Unternehmen BSH Household Appliances und Ariston Thermo Russ LLC an JSC Grazprom Household Systems überträgt, ein Tochterunternehmen des staatlichen Energiekonzerns Gazprom.

Die italienische Ariston-Gruppe, ein Hersteller von Heiztechnik mit mehr als 3 Milliarden Euro Jahresumsatz und weltweit gut 10.000 Beschäftigten, hat sich in einer Mitteilung „extrem überrascht“ über den Schritt der russischen Behörden gezeigt. Ariston ist seit knapp 20 Jahren in Russland tätig und hatte immer „sehr korrekte Beziehungen mit den lokalen Institutionen“, berichtet das Unternehmen. Ariston betreibt außerhalb von St. Petersburg eine Produktion von Wasserheizungen für den russischen Markt; zudem gibt es ein Entwicklungszentrum. Im vergangenen Jahr erzielte das Unternehmen in der russischen Föderation einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro.

BSH wollte Fabriken verkaufen

BSH, das frühere Gemeinschaftsunternehmen von Bosch und Siemens, das seit 2015 vollständig zu Bosch gehört und vor allem unter den Marken Bosch, Siemens, Gaggenau und Neff Herde Geschirrspüler sowie Waschmaschinen und Kühlschränke herstellt, wollte den Schritt nicht kommentieren. „Wir sind im Gespräch mit dem per Anordnung eingesetzten Verwalter“, sagte einer Sprecherin der F.A.Z. auf Anfrage.

BSH hat zwei Fabriken in Russland, die beide am selben Standort in St. Petersburg ihren Sitz haben. BSH produzierte dort seit 2007 Kühlschränke und seit 2012 Waschmaschinen – unter der Marke Bosch und hauptsächlich für den russischen Markt und die Nachbarländer. Seit März 2022 steht die Produktion, ein Großteil der Mitarbeiter ist freigestellt – nur wenige Angestellte waren noch auf dem Gelände, um nach dem Rechten zu schauen. Mit dem Ende der Produktion hat BSH nach eigenen Angaben auch keine Hausgeräte und Teile mehr nach Russland importiert. Der russischen Zeitung „Kommersant“ zufolge verhandelt Bosch seit Oktober 2023 über den Verkauf der beiden Werke mit dem türkischen Investmentfonds Can Holding. Die Verkaufsüberlegungen bestätigte das Unternehmen der F.A.Z., den Interessenten nicht.

Die Übernahme der Kontrolle über russische Tochterfirmen westlicher Unternehmen ist nicht neu: Vor einem Jahr hatte Präsident Wladimir Putin mittels Erlass die russischen Niederlassungen der deutschen und finnischen Energiekonzerne Uniper und Fortum unter staatliche Aufsicht gestellt. Damals hieß es in dem Dekret, die Maßnahmen seien eine Reaktion auf „unfreundliche und völkerrechtswidrige“ Schritte der USA und anderer Länder, und galten als Antwort auf die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte im Ausland. Im Sommer 2023 wurden nach dem gleichen Muster auch die russischen Brauereien des dänischen Carlsberg-Konzerns sowie die Aktiva des französischen Lebensmittelkonzerns Danone im Land unter staatliche Aufsicht gestellt.

Moskaus Ultimatum an Hausgerätehersteller

Im vergangenen Jahr hatte das russische Handelsministerium mehreren ausländischen Herstellern von Haushaltsgeräten, deren Fabriken in Russland stillstanden, ein Ultimatum gestellt: Sie sollten bis zum Januar 2024 die Produktion wieder aufnehmen oder ihre Aktiva an interessierte Geschäftsleute verkaufen, andernfalls könnten ihre Werke verstaatlicht werden. Da die russischen Verbraucher wegen der in der Kriegswirtschaft stark gestiegenen Löhne derzeit viel Geld ausgeben, führt ein Stillstand in der Produktion zu noch höherer Inflation als ohnehin schon, was der Kreml unbedingt vermeiden will.

Die Überstellung der Aktiva unter „vorübergehende Aufsicht“ des russischen Staates – Gazprom ist staatlich kontrolliert – kommt zwar de facto einer Enteignung gleich, rechtlich gesehen ist sie es aber nicht. Russland kann die auf diese Weise erhaltenen Vermögenswerte daher auch nicht weiterverkaufen, aber an dem Gewinn der unter Kontrolle genommenen Werke verdienen.

Dass ausgerechnet Gazprom, Russlands Monopolist für den Export von Pipelinegas, den Zuschlag für Bosch und Ariston bekommen hat, dürfte mehrere Gründe haben. Zum einen baut der Konzern seit Jahren eine eigene Produktion von Haushaltsgeräten auf. Zum anderen heben Branchenkenner hervor, dass die Fabriken von Bosch und Ariston mit teuren Anlagen ausgestattet seien, weshalb die Produktionskosten sehr hoch seien. Das sei ein Problem bei den Verhandlungen mit türkischen und chinesischen Investoren gewesen. Gazprom sei in der Lage, die teuren ausländischen Ersatzteile für eine Wiederaufnahme der Produktion zu bezahlen und habe deshalb den Zuschlag bekommen.