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Verteidiger unter Druck Ukrainischer Armeechef räumt »taktische Erfolge« von Putins Truppen ein

Sehnlichst wartet die ukrainische Armee auf die Lieferung der versprochenen westlichen Waffen. Laut Oberbefehlshaber Oleksandr Syrsky hat sich die Lage an der Front verschlechtert.
Ukrainische Verteidiger in der Nähe der Front

Ukrainische Verteidiger in der Nähe der Front

Foto: REUTERS

Die ukrainischen Verteidiger geraten im Osten des Landes gegen die russischen Angreifer immer mehr unter Druck – vor dem Eintreffen neuer westlicher Waffenlieferungen. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau meldete die Eroberung der kleinen Ortschaft Nowobachmutiwka im Gebiet Donezk. Auch ukrainische Militärbeobachter schlugen auf ihren Karten den Ort nordwestlich der im Februar geräumten Stadt Awdijiwka den Russen zu.

»Die Lage an der Front hat sich verschärft«, schrieb der ukrainische Oberbefehlshaber Oleksandr Syrsky auf Facebook. Der Feind greife in mehreren Stoßrichtungen an und dominiere bei Menschen und Material. »Die Lage ändert sich dynamisch – in einigen Gebieten hat der Feind taktische Erfolge erzielt, in anderen Gebieten konnten wir die taktische Position unserer Truppen verbessern«, schrieb Syrsky.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief den Westen einmal mehr zur verstärkten Lieferung von Flugabwehrwaffen auf. Russische Luftangriffe in der Nacht auf Samstag hätten auf das Gastransitsystem seines Landes gezielt, sagte er in einer Videobotschaft.

US-Institut rechnet mit taktischen Gewinnen der Angreifer

Westliche Militärexperten beobachten ebenfalls ein Vorrücken der russischen Truppen. »Russland wird absehbar spürbare taktische Gewinne erzielen in den kommenden Wochen, während die Ukraine darauf wartet, dass US-Unterstützung an der Front ankommt«, analysierte das Institut für Kriegsstudien (ISW) in den USA. »Aber es bleibt unwahrscheinlich, dass russische Kräfte die ukrainische Verteidigung überwinden.«

Die USA hatten nach monatelanger Blockade vergangene Woche ein milliardenschweres Hilfspaket beschlossen. (Lesen Sie hier , was das für den Kriegsverlauf bedeutet.)

Der ukrainische Präsident Selenskyj beklagte unterdessen russische Angriffe auf das Gastransitsystem seines Landes. Es seien Objekte angegriffen worden, über die Gas durch die Ukraine in die Europäische Union geleitet werde, sagte er.

In der Nacht zum Sonntag überzogen Russland und die Ukraine einander außerdem mit Drohnenangriffen. In der südukrainischen Stadt Mykolajiw wurden nach Angaben von Gouverneur Witalij Kim ein Hotel und ein Objekt der Energieversorgung getroffen. Auf russischer Seite wurden angeblich ukrainische Drohnen zum Absturz gebracht, bevor sie ein Treibstofflager im Gebiet Kaluga treffen konnten.

Die Ukraine brauche weitere Flugabwehrsysteme vom US-Typ Patriot, sagte Selenskyj. »Die Ukraine braucht sieben Systeme, das ist das absolute Minimum. Unsere Partner haben diese Patriots.« Mitte April hatte Deutschland der Ukraine die Lieferung eines dritten Patriot-Systems zugesagt.

Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass die Ukraine von den USA außerdem weitreichende Atacms-Raketen erhalten hat. Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt es indes strikt ab, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Er befürchtet, dass Deutschland bei Bereitstellung der Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern in den Krieg hineingezogen werden könnte. Der polnische Außenminister Radosław Sikorski sieht unterdessen Deutschland in der Pflicht.

kko/dpa