Zeichnung von Adolph Menzel :
Als Schüsse auf den Kaiser fielen

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Zuschlag bei 160.000 Euro: Menzels „Porträtstudie eines Marokkaners“, 1878, Bleistift auf Papier, 32,1 mal 20,4 Zentimeter
Nichts verkauft sich besser als eine dramatische Geschichte: Eine historisch bedeutsame Skizze Adolph von Menzels sorgt bei Lempertz in Berlin für einen Sensationszuschlag.

Am 2. Juni 1878 war das Wetter in Berlin so gut, dass man in der offenen Kutsche fahren konnte – und genau das tat Kaiser Wilhelm I., als auf der Prachtstraße Unter den Linden Schüsse fielen. Ein geistig verwirrter Attentäter feuerte eine Doppelladung Schrot auf den Monarchen ab und verletzte ihn am Kopf, Rücken und an einem Arm. Unmittelbar danach versuchte der Täter sich selbst zu erschießen. Stark blutend sackte der schon 81 Jahre alte Kaiser zusammen. Hätte er an diesem Berliner Sommertag keinen schweren Mantel und eine Pickelhaube getragen, wäre es wohl seine letzte Kutschfahrt gewesen. Er überlebte den Anschlag schwer mitgenommen und ernannte Kronprinz Friedrich zum Stellvertreter.

Attentat auf den Kaiser: Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Major Karl von Rosenberg, ein preußischer Generalleutnant, eilte mit ihr in das Atelier Adolph Menzels, das nicht weit vom Ort des Geschehens entfernt lag. Der bis in höchste Kreise geschätzte Künstler war beschäftigt: Erstmals besuchte eine marokkanische Gesandtschaft Berlin, und Menzel hatte das Privileg, Mitglieder der Delegation zu zeichnen. Gerade hatte er die „Porträtstudie eines Marokkaners“ beendet. In traditioneller Gewandung seines Heimatlandes ist der Dargestellte einmal frontal zu sehen, daneben sein bärtiger Kopf mit Hut im Profil.

Menzel muss den Bleistift buchstäblich noch in der Hand gehalten haben, denn spontan setzte er zu den eben vollendeten Zeichnungen eine Notiz auf die Vorderseite des Bogens: „am Tage des zweiten Attentats auf d. Kaiser. Bei Beendigung dieses kam Major v. Rosenberg mit der Nachricht ins Zimmer gestürzt“, steht dort. Wie zur Bestätigung vervollständigt ein skizzenhaft begonnenes Porträt Wilhelms I. das Blatt. Zwei weitere Blätter Menzels vom selben Tag sind im Berliner Kupferstichkabinett bewahrt. Die „Porträtstudie eines Marokkaners“ aber ist nun bei Lempertz in Berlin versteigert worden.

Das Blatt geht an einen internationalen Privatsammler

Das aus privater Hand kommende Blatt war vorab auf 6000 bis 8000 Euro taxiert worden – was stark unterschätzte, wie begehrt eine qualitativ hochwertige Arbeit eines renommierten Künstlers ist, die dazu noch ein dramatisches historisches Ereignisses dokumentiert. Höher und höher ging es hinauf. Erst bei 160.000 Euro fiel der Hammer; mit Aufgeld zahlt der Käufer, ein internationaler Privatsammler, 201.600 Euro.

Einen größeren Erfolg hätte sich das Kölner Auktionshaus für seine ehemals „Preußen-Auktion“ genannte „Berlin-Auktion“ (F.A.Z. vom 13. April) nicht wünschen können. Auch die „Allegorie des Hörsinns“ der Malerin Barbara Rosina Lisiewska-de Gasc reüssierte. Geschätzt auf 80.000 bis 100.000 Euro, ging das Doppelbildnis zur Obertaxe – brutto 126.000 Euro – in den deutschen Handel.

Insgesamt spielte die Versteigerung von Gemälden, Porzellan und Silber mit 342 Losen rund eine Million Euro ein, was im Wert in etwa einer Zuschlagsquote von 100 Prozent entspricht.