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Meinung Wladimir Kara-Mursa

Die russische Opposition ist stärker, als wir denken

Die Bundestagsabgeordneten Renata Alt, Anton Hofreiter und Michael Roth (von links nach rechts) Die Bundestagsabgeordneten Renata Alt, Anton Hofreiter und Michael Roth (von links nach rechts)
Die Bundestagsabgeordneten Renata Alt, Anton Hofreiter und Michael Roth (von links nach rechts)
Quelle: pa/photothek/Felix Zahn; pa/Panama Pictures/Christoph Hardt; pa/photothek/Ute Grabowsky
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Alexej Nawalny musste sterben, weil er sich für ein freies und demokratisches Russland eingesetzt hat. Er war das Gesicht der russischen Opposition, aber bei weitem nicht der einzige Regimekritiker des Landes. Der Westen muss sie stärker unterstützen, meinen unsere Gastautoren, drei Außenpolitik-Experten aus dem Bundestag.

Vor zwei Monaten hat die Nachricht vom Tod von Alexej Nawalny in Russland und weltweit Wut und Trauer ausgelöst. Während die genauen Todesumstände nach wie vor ungeklärt sind, ist eines klar: Nawalny wurde zum Opfer von Putins Terrorregime. Alexei Nawalny Alexej sterben, weil er sich für ein freies und demokratisches Russland eingesetzt hat. Er war das Gesicht der russischen Opposition, aber bei Weitem nicht der einzige Regimekritiker in Russland.

Die russische Opposition existiert noch immer. Das wurde mit jeder Blume deutlich, die tausende Russinnen und Russen in Erinnerung an Nawalny im ganzen Land niedergelegt haben – trotz der Gefahr für ihr eigenes Leben und ihre Freiheit. Diese Menschen müssen wir unterstützen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Hoffnung auf ein freies Russland mit Alexej Nawalny stirbt.

Derzeit sind in Russland weit über 1000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert. Unter ihnen Wladimir Kara-Mursa, der zu 25 Jahren Strafkolonie verurteilt wurde, weil er den russischen Einmarsch in die Ukraine offen als Aggression bezeichnet hat. Es ist die erste Verurteilung wegen ‚Hochverrats‘ seit Ende der Sowjetunion und ein eindeutiger Versuch Putins, einen weiteren führenden russischen Oppositionellen zum Schweigen zu bringen.

Der Prozess war geprägt von der konsequenten Missachtung von Rechtsnormen, in einem Ausmaß, der sogar für Putins Russland schockierend war. Putin statuierte damit ein Exempel an seinem langjährigen einflussreichen Kritiker.

Kara-Mursa warnte bereits 2004 vor den Gefahren des Putin-Regimes, als in Deutschland und Europa noch viele von einem gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok träumten. Politisch stark von Boris Nemzow geprägt, war er einer der Architekten der Magnitsky-Sanktionen, durch die Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen persönlich belangt werden können.

Diese Sanktionen werden weitläufig gegen die russische politische Elite eingesetzt. Wie Alexej Nawalny wurde Wladimir Kara-Mursa Opfer von zwei Giftanschlägen, die zu einer schweren Erkrankung an Polyneuropathie in beiden Füßen führten. Laut russischem Recht dürfen von Polyneuropathie Betroffene nicht inhaftiert werden.

Seit zwei Jahren im Straflager

Dieses Recht gilt offensichtlich nicht für Oppositionelle. Seit zwei Jahren ist Kara-Mursa mittlerweile in immer entlegeneren Straflagern inhaftiert - ohne medizinische Versorgung, mit äußerst sporadischem Kontakt zu seiner Familie. Er wird häufig ohne Vorankündigung verlegt; im September 2023 war sein Aufenthaltsort kurzzeitig unklar. Die unmenschlichen Haftbedingungen führten bereits zu einer dramatischen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und einem starken Gewichtsverlust.

Putin versucht Kara-Mursa – wie so viele vor ihm – in der Haft zu zermürben und zu brechen. Die Parallelen zu Nawalny sind eindeutig. Beide weigerten sich, sich für vermeintliche, vorgeschobene Verbrechen schuldig zu bekennen. Und genau wie Nawalny hat Kara-Mursa die Hoffnung, dass Russland eines Tages frei und demokratisch sein wird, nicht aufgegeben.

Das Schicksal von Kara-Mursa steht exemplarisch für Aktivistinnen und Aktivisten weltweit, die für ihren Einsatz für Demokratie und Menschenrechte verfolgt, eingesperrt und ermordet werden. Diese mutigen Menschen stehen im Auge eines autoritären Sturms, der global an Kraft gewinnt. Dabei sehen wir, dass autoritäre Staaten voneinander lernen und ähnliche Strategien anwenden, wie sie Oppositionelle erst diskreditieren und dann kriminalisieren.

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Wenn die liberalen Demokratien darauf keine gemeinsame Antwort finden, werden sich immer weniger für demokratische Werte und Menschenrechte einsetzen. Deswegen ist das Engagement für Wladimir Kara-Mursa und die vielen anderen politisch Verfolgten und Inhaftierten nicht allein eine moralische Frage, sondern liegt in unserem ureigenen Interesse als Demokratinnen und Demokraten.

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Im Schlusswort seines Prozesses sagte Kara-Mursa, dass der „Tag kommen wird, an dem sich die Dunkelheit über unserem Land auflösen wird, (…) wenn ein Krieg ein Krieg genannt werden wird, (…) und wenn diejenigen, die diesen Krieg angezündet und entfesselt haben, und nicht diejenigen, die versucht haben, ihn zu verhindern, als Verbrecher anerkannt werden.“

Wladimir Kara-Mursa ist einer der wenigen verbliebenen Oppositionellen, die Hoffnungsträger für ein besseres Russland sind. Ein Russland, in dem Menschenrechte, Demokratie und Freiheit herrschen. Ein Russland, in dem Menschen ihre Meinung äußern können, ohne dafür als Staatsfeinde und Verräter bezeichnet zu werden. Ohne jahrelange Haftstrafen befürchten zu müssen.

Für ein solches Russland braucht es eine lebendige Opposition und Mutmacher wie Wladimir Kara-Mursa. Und es braucht eine entschlossenere Unterstützung und mehr Aufmerksamkeit für die russische Opposition. Besonders jetzt, nach dem Tod von Alexej Nawalny, dürfen wir die russische Opposition nicht vergessen und müssen unsere Bemühungen intensivieren, ihr beizustehen. Wir fordern daher die sofortige Freilassung von Wladimir Kara-Mursa und allen anderen politischen Gefangenen in Russland.

Michael Roth (SPD) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Anton Hofreiter (Grüne) ist Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag. Renata Alt (FDP) ist Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag.

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