Ramadama:Schuhe, Messer und ein Plastikskelett

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Mit dem Rettungsboot der Feuerwehr Weßling werden die Taucher hinaus auf den See gebracht. (Foto: Arlet Ulfers)

Im zehn Grad kalten Wasser suchen drei Tauchertrupps den Weßlinger See nach Müll ab und befreien die Belüftungsanlage des Gewässers, die sogenannte Fontäne, von Sedimenten und Muscheln.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Fasziniert starren Spaziergänger am Ufer des Weßlinger Sees auf die Luftblasen, die an die Wasseroberfläche perlen. "Ein großer Fisch vielleicht?", spekuliert eine Frau. Doch dann taucht ein Kopf mit Taucherbrille und Neopren-Haube auf. Es ist Manfred Konrad, einer von sechs Tauchern, die den Seegrund von Müll befreien.

Auf einem Steg stehen Yvonne Dangendorf und Daniel Fütterer schon bereit, um Konrad das prall gefüllte Netz voller Müll abzunehmen. Eine Wurfscheibe befindet sich darin, Plastikbehälter, eine Flosse, ein Expander, der bereits mit Muscheln besetzt ist. Schnell leeren die Helfer das Netz in einen Müllbeutel und reichen es zurück. Konrad taucht wieder ab und gründelt weiter entlang des Ufers nach Abfällen, die dort gelandet sind.

Der Polizeisportverein Starnberg (PTSV), der allerdings für alle Tauchsportler offen ist, hat sich dem alljährlichen Ramadama der Gemeinde Weßling mit seiner Tauchtruppe angeschlossen, wetterbedingt jedoch eine Woche später als geplant. "Beim Tauchen stört die Kälte nicht, aber wenn man wieder rauskommt, ist es unangenehm", erklärt Dangendorf. Doch an diesem Sonntag passt alles. Statt Schneeregen gibt es strahlenden Sonnenschein und deutlich höhere Temperaturen als eine Woche zuvor. Ein klarer Himmel und eine leichte Brise lassen die Seeoberfläche funkeln, dazu setzt das frische Grün der Schilfpflanzen reizvolle Farbtupfer.

Während die Helfer an Land in T-Shirts unterwegs sind, haben sich die Taucher gegen die frostigen Temperaturen des etwa zehn Grad kalten Wassers gewappnet. Tauchlehrer Stefan Koschke, Mitglied des Verbands Deutscher Sporttaucher (VDST), dem der Polizeisportverein angehört, trägt unter seinem Trockentauchanzug einen gefütterten Thermoanzug, lange Unterwäsche und warme Socken. Aus Sicherheit, für den Fall, dass ein Atemregler vereist, haben die Taucher jeweils zwei Flaschen mit Pressluft dabei. "Kaltwasserkonfiguration" nennt es Yvonne Dangendorf.

Landhelfer Daniel Fütterer nimmt den Müll entgegen, den die Taucher Michael Stricker und Holger Götze einsammeln. (Foto: Arlet Ulfers)
Zu den Fundstücken im Wasser zählen eine Taucherflosse, ein Expander mit Muschelbesatz... (Foto: Arlet Ulfers)
... und eine Wurfscheibe (Foto: Arlet Ulfers)

Es ist das fünfte Unterwasser-Ramadama in Weßing. Allerdings liegt der vorherige Einsatz bereits fünf Jahre zurück. Koschke hat den Einsatz im Vorfeld strategisch geplant. Zwei Tauchergruppen mit jeweils zwei Gerätetauchern sammeln in genau definierten Bereichen im See entlang der Liegewiesen, im Karpfenwinkel, entlang der Promenade, an den Stegen und Badehütten die Abfälle am Grund ein. Drei Erwachsene und zwei Kinder unterstützen die Aktion als Landhelfer vom Ufer aus, und die Weßlinger Feuerwehr bringt die Taucher mit ihren Rettungsboot zu ihren Einsatzorten. Eine dritte Tauchergruppe, zu der auch Koschke gehört, macht Wartungsarbeiten an der Belüftungsanlage, der sogenannten Fontäne, die sich mitten im See befindet. Sie befreien das Sieb am Lufteinlass von Sedimenten und Muscheln, prüfen und reinigen die Auftriebskörper, die Befestigung für das Sprinklerrohr und die Düsen am Luftauslassring. Außerdem sichert Koschke die Plastikkabelbinder, die mit der Zeit spröde werden und brechen könnten, mit Draht. "Das hält jetzt 100 Jahre", versichert er später.

Nach eineinhalb Stunden haben die Taucher etwa drei bis vier volle Müllsäcke gesammelt. "Der See ist bereit für die Badesaison", freut sich Koschke. Neben Kronkorken, Plastikresten und Scherben bargen die Taucher unter anderem einen Teppich, zwei Messer, ein Plastik-Halloweenskelett, Flaschen und einzelne Schuhe. Besonders ergiebig war der Bereich des Sees entlang der Uferpromenade. "Hier sind wohl die Reste eines Polterabends im See gelandet", meint der Gautinger Elof Frank. Dort hatten die Taucher nämlich Keramikteile, Töpfe, Flaschen sowie ein großes Einweckglas, das in zwei Teile zerbrochen war, aus dem Wasser gezogen. Highlight der Ausbeute war eine kleine Flugdrohne, die irgendwann im See abgestürzt war und nun voller Algen hing. Neben dem Umweltschutzgedanken war der ehrenamtliche Einsatz für die Tauchsportler noch aus einem anderen Grund etwas Besonderes. Normalerweise herrscht am Weßlinger See nämlich ein Verbot für das Tauchen mit Atemgerät. Das fällt in Bayern nicht unter den zulässigen Gemeingebrauch an Seen wie baden, schwimmen oder schnorcheln.

Auch einen großen Waller und Hechte entdecken die Taucher

Die Gemeinde Weßling musste extra eine Ausnahmegenehmigung für die Ramadama-Aktion beim Landratsamt in Starnberg beantragen. Bei allem Müllsammeln nahmen sich die Taucher deswegen auch ein wenig Zeit, um die wundersame Unterwasserwelt zu genießen. "Für mich ist das ein immerwährendes Faszinosum", sagt Konrad und schwärmt auch von der Schwerelosigkeit im Wasser. Einen großen Waller und Teichmuscheln hat er im bis zu zwölf Meter tiefen und damit relativ flachen See entdeckt. Andere hatten Hechte gesehen. "Es ist erstaunlich, wie hell und wie schön klar das Wasser ist", findet Landhelfer Frank. Bis auf den Grund habe er blicken können.

Nach etwa zwei Stunden ist das Ramadama beendet. Koschke hat seinen Taucheranzug mit Freizeitkleidung getauscht, genießt die Sonnenstrahlen und blickt vom Ufer versonnen auf die von ihm gereinigte Fontäne, die in regelmäßigem Abstand einen meterhohen Wasserstrahl in die Luft schießt. "Sie spritzt jetzt viel höher", freut er sich.

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