Aktion "Farbenfroh":Drachenzähne und verliebte Chamäleons

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Farbenfrohes Potpourri: mithilfe von Schere, Pinsel und Farbe entstehen die Köpfe von Giraffen, Hunden, Chamäleons und anderen Tieren. (Foto: Kunstraum Kirchheim)

Wer im Kirchheimer Kunstraum malen, zeichnen oder schweißen lernen will, muss normalerweise Kursgebühren zahlen. Für finanziell benachteiligte Kinder gibt es jetzt aber ein soziales Projekt, das ihnen die kostenlose Teilnahme ermöglicht.

Von Anna-Maria Salmen, Kirchheim

Leere Eierkartons kommen in den Müll - eigentlich zumindest. Im Kunstraum in Kirchheim werden daraus mithilfe von Schere, Pinsel und Farbe die Köpfe von Hunden, Füchsen, Giraffen oder Leoparden. "Ich will ein Chamäleon machen", sagt Angelina. "Aber wie geht das?" Andrea Hummitzsch, Ehefrau des Kunstraum-Gründers Roman Hummitzsch, sucht schnell auf dem Handy nach Bildern, die Angelina als Vorlage dienen. Die Zehnjährige schneidet an einem Eierkarton herum, um den Kopf des Tiers zu formen.

Angelina ist aus der Ukraine geflohen, so wie die meisten anderen Kinder, die an diesem Nachmittag in den Kunstraum gekommen sind. Der Verein ermöglicht ihnen die kostenlose Teilnahme an Kunstkursen, die ihre Eltern ihnen sonst kaum bezahlen könnten.

Kunstraum-Gründer Roman Hummitzsch ist aufgefallen, dass meistens nur Kinder mit entsprechendem finanziellem Hintergrund zu den Kursen kommen können. Bei ehrenamtlichen Dozenten werden seinen Worten zufolge 15 Euro pro Sitzung fällig. Wenn die Kursleiter Honorare bekommen, ist man schon bei 35 Euro. Das summiert sich, nicht jeder kann es sich leisten, sein Kind regelmäßig in solchen Kursen malen zu lassen. Hummitzsch fand das ungerecht, wie er sagt.

Die BK Kids Foundation unterstützt die Aktion

Vor einem Jahr startete er mithilfe von Spenden aus der BK Kids Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung für Kinder und Jugendliche, erstmals die Aktion "Farbenfroh", bei der bedürftige Kinder kostenlos an den Kunstkursen teilnehmen dürfen. Nun wurde die Förderung verlängert, bis in den Herbst ist die Aktion gesichert. Die Anmeldung stand laut Hummitzsch offen für alle bedürftigen Kinder, bisher nutzten das Angebot hauptsächlich ukrainische Geflüchtete.

Die Kinder haben vor und während der Flucht vor dem Krieg in ihrer Heimat oft Schreckliches erlebt, weiß Hummitzsch. "Die Kinder kriegen das natürlich noch mal ganz anders mit als wir." Schließlich sei bei ihnen die eigene Familie unmittelbar betroffen. Kreativ zu sein, zu malen oder zu basteln, kann laut Hummitzsch bei der Bewältigung helfen. Kunst sei eine gute Ablenkung - die an diesem Nachmittag ihren Zweck zu erfüllen scheint. Einige Kinder scherzen unbeschwert miteinander, andere sind ganz konzentriert mit ihren Werken beschäftigt.

Die Kinder können ihre Kreativität im Kirchheimer Kunstraum ausleben. (Foto: Kunstraum Kirchheim)

Die Kurse ermöglichen den Kindern, ihre Kreativität auszuleben, sagt Hummitzsch. Sich mit Kunst auseinanderzusetzen, sei zudem wichtig für die Entwicklung: "Sie müssen überlegen, wie sie an etwas herangehen und Ideen umsetzen." Die eigenen Kunstwerke Schritt für Schritt entstehen zu sehen, könne den Kindern auch helfen, Selbstbewusstsein zu entwickeln. "Manchmal sagen sie zuerst: Das kann ich doch nicht", erzählt Hummitzsch. "Dann muss man sie ermutigen." Im Nachhinein seien die kleinen Künstler oft überrascht, wie gut sie zeichnen könnten.

Im Vordergrund steht der Spaß, wie Hummitzsch sagt. Strenge Vorgaben gibt es nicht, jeder darf sein Projekt so gestalten, wie er will. Angelinas Chamäleon etwa ist mittlerweile bunt geworden. Das Mädchen hat es mit Farbverläufen in Rosa- und Lilatönen angemalt. "Ich glaube, es ist verliebt", sagt die Zehnjährige lächelnd.

Ein verliebtes Chamäleon. (Foto: Kunstraum Kirchheim)

Auf der anderen Seite des Tisches präsentiert Anastasia stolz den Hund, den sie gerade fertig gebastelt hat. Die Achtjährige war schneller als die anderen Teilnehmer, die sich noch konzentriert über ihre Werke beugen. "Dann kannst du ja noch einen zweiten machen", sagt Hummitzsch.

Der Kursleiter ist eigenen Worten zufolge selbst manchmal erstaunt, wie gut die Ergebnisse der Kinder oft sind. Neben Angelina bastelt Luisa gerade an einem Drachen. Filigran hat das Mädchen die Zähne in das kleine Maul geschnitten und sogar eine Flamme gebastelt, die aus dem Schlund schießt.

Filigraner Prozess: Später bekommt der Drache noch eine Flamme in den Mund gebastelt. (Foto: Kunstraum Kirchheim)

Als Hummitzsch nach anderthalb Stunden zum Aufräumen auffordert, stöhnen die Kinder auf. Zu gern hätten sie noch weitergemacht. Nicht alle sind fertig geworden, aber das macht nichts, sagt Hummitzsch. Beim nächsten Mal werden die Werke vollendet. Insgesamt 30 Mal dürfen die Kinder noch kostenlos im Kunstraum malen und gestalten. Dabei soll es nicht beim Basteln mit Eierkartons bleiben: Hummitzsch will den Kindern die ganze Vielfalt des Kunstraums zeigen und sie unter anderem auf Leinwand malen sowie mit Holz oder Keramik arbeiten lassen.

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