Sport:Der Schuh hängt jetzt am Nagel

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Gegenseitige Huldigungen: Applaus gibt es von den Handballern für die Fans und von den Fans für die Handballer. (Foto: Johannes Simon)

Tobias Prestele und drei weitere Handballer des TuS Fürstenfeldbruck nehmen Abschied. Das letzte Heimspiel einer mittelmäßigen Drittliga-Saison endet mit einer Niederlage.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Der Abschied vom Abschied liegt im Trend. Wann immer ein Sportler seine aktive Laufbahn beendet, kann es sein, dass er in nicht allzu ferner Zeit zurückkehrt. Handballer Tobias Prestele hat dreimal Abschied genommen. 2010, um dem Beruf den Vorzug zu geben, 2018, um sich zuvorderst der neu gegründeten Familie zu widmen, und jetzt - 2024. Diesmal soll die Trennung endgültig sein. Im Alter von 37 Jahren "ist es einfach nur noch ein Kampf", sagt er: "Ich bin jetzt froh, wenn es vorbei ist." Zumal die Anforderungen in anderen Bereichen des Lebens ständig steigen. Auch die beiden kleinen Söhne spielen schon Handball, weshalb Prestele bei seinen Abschiedsworten in der Wittelsbacher Halle dem Publikum noch Folgendes mitgeben will: "Supportet eure Kinder, auch wenn es manchmal schwer fällt, auch wenn manchmal die Noten schlecht sind!". Der Sport im Verein sei wichtig, er schaffe Freunde fürs Leben: "Sport ist wie eine Familie." Prestele weiß, wovon er spricht, seit 30 Jahren gehört er dem TuS Fürstenfeldbruck an. Die Zuschauer, die nach dem letzten Heimspiel von Fürstenfeldbrucks Drittliga-Handballern noch da geblieben sind, applaudieren aufs Heftigste und jubeln ihm zu - auch für diese Liebeserklärung an Sport und Verein.

700 Zuschauer bilden eine tolle Kulisse

700 Zuschauer bilden noch einmal eine richtig tolle Kulisse kurz vor Schluss einer Saison, die nicht so richtig zufriedenstellend gelaufen ist. Nach 28 von 30 Spielen stehen die Brucker Panther auf Platz acht. Damit sind sie schlechter als in den meisten Spielzeiten der vergangenen Drittliga-Dekade. Vor allem "die Rückrunde war schlecht, da sind wir uns alle einig", sagt Trainer Martin Wild der SZ.

In dieses Bild fügt sich das letzte Heimspiel. Es ist zwar unterhaltsam und kein schlechtes - auch wegen der jeweils neun Tore der beiden Rückraumspieler Jonas Link und Han Völker -, geht aber dennoch mit 34:37 Toren verloren. Dabei führt der TuS schnell 5:0, später 13:7, zur Pause 17:15. Lange sieht es so aus, als habe er die Partie im Griff. Doch Gegner VfL Pfullingen steckt nicht auf, verringert nach und nach die Tordifferenz und dreht das Spiel mit der ersten Führung zum 24:23 in der 42. Minute.

Und so bleibt die Stimmung nach dem Schlusspfiff gedämpft, die gegenseitigen Huldigungen von Spielern und Fans geraten ein wenig steif. Alle Handballer bleiben dennoch eine ganze Weile auf dem Spielfeld stehen, um den passenden Rahmen zu bilden für jenes Quartett, das schließlich verabschiedet wird. Wie der stets an seinem weißen Stirnband erkennbare Marco Silvestri, der zwei Spielzeiten im Drittligakader zubrachte und nun schon in jungen Jahren mit dem Handball Schluss machen will.

Verlässt den Verein: Marco Silvestri (Foto: Johannes Simon)
Verlässt den Verein: Felix Kerst (Foto: Johannes Simon)
Verlassen den Verein: Tobias Prestele (links) und Johannes Stumpf (Foto: Johannes Simon)

Nach acht Jahren beim TuS Fürstenfeldbruck nimmt auch Linksaußen Felix Kerst Abschied. Er kam 2016 von Melsungen nach München zum Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Biotechnologie, das er von Januar an mit einem Stipendium in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen fortsetzen wird. 518 Tore hat er für den TuS erzielt, dann und wann auch mal zweistellig getroffen in einem Spiel. Zudem war er der Sicherste im Team, wenn es galt vom Siebenmeterpunkt aufs Tor zu werfen. "Es war überragend mit euch", ruft der 26-Jährige dem Publikum über das Mikrofon zu. Er habe mit seinem Trainer "und den Jungs mehr Zeit verbracht als mit meiner Familie", deshalb "bin ich für alles dankbar".

Johannes Stumpf, 30, ist schon einmal verabschiedet worden - vor drei Jahren am Ende jener Saison, die die Brucker Panther in der zweiten Bundesliga verbrachten. Ein Jahr pausierte er tatsächlich, brachte seinen Hochschulabschluss (Lehramt) unter Dach und Fach - und kam zurück. Die laufende Saison endete allerdings nach nur wenigen Spielen mit einer langwierigen Schulterverletzung, weshalb er auch der einzige Spieler ist, der in Freizeitkleidung und nicht im Handballdress in der Halle steht. Monatelang hat er, der immer ein besonderer Liebling des Publikums war, nicht mehr gespielt. Nun wird sich Stumpf, der derzeit sein Referendariat absolviert, endgültig zurückziehen. Freilich nicht ohne zu versprechen, "ab und zu in der Halle zu sein", aber dann "die Rolle als Zuschauer einzunehmen".

Prestele kassiert am Ende noch eine Rote Karte

So wird es auch Tobias Prestele machen. Das letzte Heimspiel in der Karriere des "Brucker Urgesteins", wie er angekündigt wird, endet mit einer Roten Karte nach der dritten Zeitstrafe, die er kassiert, als 52 Minuten gespielt sind und er in einen Zweikampf verstrickt ist, bei dem sich sein Pfullinger Gegenspieler auch noch verletzt und nicht mehr weitermachen kann. 275 Spiele hat Abwehrspezialist Prestele bis dato für den TuS Fürstenfeldbruck bestritten. Dass es ein weiteres Comeback geben könnte nach den finalen beiden Auswärtsspielen, schließt er aus. Er wird zu Hause gefordert sein, die Familie erwartet das dritte Kind. Und dann zieht er seinen linken Schuh aus und hängt ihn an das Geschenkkuvert, der ihm zum Abschied überreicht wird. Der Handballschuh hängt dann jetzt am Nagel.

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