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Ausland Bolsonaros Schatten

Im brasilianischen Justiz-Dschungel läuft Elon Musk zur Höchstform auf

Korrespondent in Lateinamerika
Die „Bolsonaristas“ feiern den brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro Die „Bolsonaristas“ feiern den brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro
Die „Bolsonaristas“ feiern den brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro
Quelle: Bob Karp/ZUMAPress/picture alliance
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In Brasilien lässt sich gut beobachten, wie Politik eine Gesellschaft spalten kann. Verantwortlich dafür sind Ex-Präsident Jair Bolsonaro und Nachfolger Lula da Silva, die sich gegenseitig Machtmissbrauch und Diebstahl vorwerfen. Und mittendrin kocht Elon Musk sein Süppchen.

Ein solches Spektakel haben die Kassiererinnen des Supermarkts Princesa in der Rua Bolivar 34 noch nicht erlebt. Direkt vor ihrem zur Straße offenen Arbeitsplatz lässt sich Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro vom Dach eines SUVs winkend durch die enge Zufahrtsstraße kutschieren. Der 69-Jährige hat seine Anhänger zum weltberühmten Copacabana-Strand gerufen und nun ziehen rund 40.000 „Bolsonaristas“ durch die Straßen.

An der Supermarktkasse wie auch links und rechts in den Restaurants werden Smartphones gezückt und gefilmt, wie die zahlreichen Bolsonaro-Fans dessen Spitznamen „Mythos, Mythos“ rufend der Wagenkolonne im Schneckentempo folgen. Als aus einer darüberliegenden Wohnung erst die rote Fahne von Lulas linker Arbeiterpartei PT geschwenkt und anschließend ein paar Stinkefinger in Richtung Bolsonaro-Prozession gezeigt werden, folgen wütende „Lula raus-Rufe“.

Die Straßenszene fasst Brasiliens polarisierte Gesellschaft perfekt zusammen, angesichts des amtierenden Präsidenten Lula, dem viele eine Instrumentalisierung der Justiz vorwerfen, während sich sein rechtspopulistischer Vorgänger als Opfer der neuen linken Regierung präsentiert. Das Beispiel Brasilien zeigt, was passiert, wenn die Mitte der Gesellschaft, wenn Demokratie und Freiheit von beiden Seiten des politischen Spektrums unter Druck geraten: Jede Möglichkeit zum Konsens geht verloren.

Wirklich überraschend an diesem Protestzug in Rio de Janeiro ist allerdings, dass die Prozession auf ihren Plakaten nicht nur Bolsonaro feiert, sondern auch einen der reichsten Männer der Welt, Elon Musk. In der Fehde zwischen dem linken und rechten politischen Lager spielt der US-Milliardär eine nicht unbedeutende Rolle.

Musk mischt sich spätestens seit dem Kauf des Kurznachrichtendiensts Twitter (heute X) im Jahr 2022 zunehmend in politische Debatten ein und stilisiert sich zum glühenden Verfechter der Meinungsfreiheit – dabei richtet sich seine Wut vor allem gegen linke Narrative und deren Vertreter.

In Brasilien hat Musk einen Richter des Obersten Gerichtshofs (STF) ins Visier genommen. Der Milliardär erhebt schwere Vorwürfe gegen Richter Alexandre de Moraes: „Warum fordern Sie so viel Zensur in Brasilien?“, fragte Musk via seines Kurznachrichtendiensts X und kündigte zunächst an, die juristisch angeordnete Sperrung Hunderter Konten überwiegend von Bolsonaro-Anhängern, die Fake News verbreitet haben sollen, zu ignorieren.

Später beeilte sich Musk dann zwar zu erklären, die brasilianischen Gesetze zu respektieren. Nach der Bolsonaro-Demo legte Musk aber noch einmal nach und schrieb, Moraes sei „ein Feind des Volkes und damit der Demokratie“.

Merkwürdige Personalentscheidungen

Moraes gilt im linksliberalen Lager als Held, weil er als Präsident des obersten Wahlgerichts im Wahlkampf alle strittigen Entscheidungen zugunsten Lulas fällte. Im Bolsonaro-Lager ist er dagegen das Feindbild Nummer eins, ihm werden Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit vorgeworfen.

Der berühmte amerikanische Investigativ-Journalist Glenn Greenwald, der einst für die Veröffentlichung der von Whistleblower Edward Snowden geleakten US-Geheimdokumente verantwortlich war, sprach von einer ungeheuren Machtfülle. Denn Moraes hat eine Doppelfunktion: Er ist Richter des Obersten Gerichtshofs und Präsident des Wahlgerichts. Moraes treffe antidemokratische Entscheidungen, behauptet Greenwald.

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Präsident Lula hat seit dem Wahlsieg Ende 2022 die Justiz offenbar mit Gefolgsleuten bestückt. So gelang es ihm, mit Cristiano Zanin seinen persönlichen Anwalt im Obersten Gerichtshof unterzubringen. Seit Februar ist zudem ein enger politischer Vertrauter Lulas, Flavio Dino, aus dem Kabinett direkt an die Spitze des STF gewechselt.

Inzwischen nennen einige brasilianische Medien angesichts der vielen, von Lula und seiner ebenfalls linken Vorvorgängerin Dilma Rousseff installierten Juristen, das Oberste Gericht einen „PT-Gerichtshof“. Lulas Vorgehen ist zwar nicht illegal, schafft aber massives Misstrauen in die Unabhängigkeit der juristischen Institutionen.

Genau die braucht es aber, um die Angriffe von links und rechts auf die brasilianische Demokratie abzuwehren und die Polarisierung zu überwinden. Bolsonaro wurde wegen seiner unbewiesenen Vorwürfe des Wahlbetrugs und der Wahlmanipulation vor Gericht gestellt und des Amtsmissbrauchs schuldig gesprochen. Zweifellos ist der Politiker in diesem Kontext auch verantwortlich für den Vandalismus eines wütenden Mobs in Brasilia, der im Januar 2023 die hauchdünne Wahlschlappe nicht akzeptieren wollte.

Nun darf der abgewählte Rechtspopulist acht Jahre lang nicht mehr für ein Amt kandidieren. Aldo Rebelo, Ex-Minister der Regierung Rousseff, sagte der Zeitung „O Globo“, Bolsonaro werde inzwischen genauso politisch verfolgt wie zuvor Lula. Erst sei versucht worden, Lula von den Wahlen auszuschließen, „jetzt versuchen sie, Bolsonaro auszuschließen“, so Rebelo.

Lula wiederum blockiert jede Aufklärung der großen Korruptionsskandale rund um die Konzerne Petrobras und Odebrecht, die vor Jahren die brasilianische Politik sowie seine Partei erschütterten und Lula zeitweise ins Gefängnis brachten. Dass seine Anwälte und Vertrauten nun an den Schlüsselstellen der Justiz sitzen, werten viele als den sichtbaren Versuch, alle künftigen Ermittlungen zu unterbinden.

Die Anti-Korruptions-NGO Transparency wurde in der „Financial Times“ mit Blick auf die jüngsten Urteile des Obersten Gerichtshof zitiert, Brasilien sei „zu einem Friedhof für Beweise für Verbrechen geworden, die in mehr als einem Dutzend Ländern Lateinamerikas und Afrikas Elend, Gewalt und menschliches Leid verursacht haben.“

Im Rahmen des Skandals um den Baukonzern Odebrecht wurden Dutzende lateinamerikanische Politiker bestochen. In einer der ersten Amtszeiten Lulas wurden Politiker so dazu gebracht, für die Industrie vorteilhafte Gesetzesvorhaben durchzubringen.

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Lulas Glaubwürdigkeit ist aktuell auch deshalb angekratzt, weil er nach dem Regierungswechsel behauptet hatte, Vorgänger Bolsonaro habe bei seinem Auszug wertvolle Möbel mitgehen lassen und kündigte gar ein neues Gesetz an, „damit es nicht wieder vorkommen kann, dass ein Präsident historische Gegenstände mitnimmt, die dem brasilianischen Staat gehören“.

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Lulas Behauptung ging damals um die Welt. Inzwischen fand die Zeitung „Folha“ heraus, dass die Möbel weder verschwunden noch gestohlen waren, sondern sich die ganze Zeit im Präsidentenpalast befunden hatten. Lula ist blamiert, Bolsonaro erwägt eine Klage wegen übler Nachrede.

Sowohl Bolsonaro als auch Lula haben im jeweils anderen Lager durch ihre Verfehlungen jeden Kredit verloren. Der umstrittene Einfluss Lulas auf die Justiz und der polemische Stil, den die Frontmänner der politischen Extreme pflegen, wird daran kaum etwas ändern, geschweige denn, die Gräben in der Gesellschaft verkleinern.

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