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Empörung in Berlin und Rom Russland stellt Firmen aus Deutschland und Italien unter Zwangsverwaltung

Auf Anordnung Putins übernimmt der russische Gazprom-Konzern eine Bosch-Tochter und ein italienisches Unternehmen. Außerdem wird der Zwangsumtausch von Deviseneinnahmen in Rubel verlängert – bis April 2025.
BSH-Werk in Sankt Petersburg: Seit 2022 stillgelegt

BSH-Werk in Sankt Petersburg: Seit 2022 stillgelegt

Foto: Alexander Demianchuk / ITAR-TASS / IMAGO

Deutschland und Italien haben empört auf die Entscheidung von Staatschef Wladimir Putin reagiert, die Bosch-Tochter BSH Household Appliances und die Tochterfirma der italienischen Heiztechnikfirma Ariston Thermo Group in Russland unter »vorläufige Aufsicht« des Konzerns Gazprom zu stellen. »Wir verurteilen die angeordnete Zwangsverwaltung und behalten uns in enger Abstimmung mit Italien eine weitere Reaktion vor«, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Die italienische Regierung bestellte den russischen Botschafter ein.

»Die Regierung verlangt eine Klarstellung zu der Verstaatlichung der Ariston Thermo Group«, erklärte der italienische Außenminister Antonio Tajani. Italien arbeite in der Sache auch »mit Brüssel in Verbindung mit Deutschland« zusammen. Tajani tauschte sich nach eigenen Angaben auch mit dem Ariston-Management über die Angelegenheit aus. Seine Regierung stehe »an der Seite der Unternehmen« und sei »bereit, sie auf allen internationalen Märkten zu schützen«. Ein EU-Sprecher verurteilte das Vorgehen Moskaus als »einen weiteren Beweis für Russlands Missachtung internationaler Gesetze und Regeln«.

In Moskau war am Freitag ein Dekret veröffentlicht worden, mit dem Putin die Kontrolle über alle Ariston-Aktien in russischen Unternehmen an Gazprom Household Systems überträgt, eine Tochter des staatlichen russischen Gasriesen Gazprom. Betroffen sind demnach der Ableger Ariston Thermo Rus, welcher der Ariston Holding NV gehört, sowie die Firma BSH Household Appliances, die der BSH Hausgeräte GmbH gehört. Dabei handelt es sich um ein Joint Venture, das von den deutschen Konzernen Bosch und Siemens gegründet worden war und seit 2015 vollständig zu Bosch gehört.

Firmenvertreter sind »äußerst überrascht«

Eine Sprecherin der BSH Hausgeräte GmbH teilte auf Anfrage mit, das Unternehmen führe derzeit Gespräche mit Gazprom Household Systems und wolle die russische Entscheidung zunächst nicht kommentieren. Die beiden Bosch-Werke in Sankt Petersburg, in denen Waschmaschinen und Kühlschränke produziert wurden, seien bereits seit März 2022 stillgelegt. BSH führe keine Haushaltsgeräte und Teile mehr nach Russland aus, sagte die Unternehmenssprecherin der Nachrichtenagentur AFP.

Die Ariston Group zeigte sich »äußerst überrascht« über das Dekret. »Wir warten auf eine Erklärung für diese unerwartete Maßnahme«, erklärte das Unternehmen.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Moskau sich der russischen Tochterfirmen diverser westlicher Unternehmen bemächtigt; dazu zählen etwa der Lebensmittelriese Danone und der Bierhersteller Carlsberg. Die russischen Behörden sprechen in diesen Fällen von der Übernahme einer »vorläufigen Kontrolle« und stellen sie als Antwort auf westliche Sanktionen gegen russische Unternehmen dar. Westliche Regierungsvertreter und einige der Unternehmen haben die »Verstaatlichung« privater Unternehmen durch Moskau verurteilt.

Zwangsumtausch stützt Rubelkurs

Unterdessen wurde eine weitere Verordnung bekannt: Zur Stützung des Rubels sollen Russlands wichtigste Exportunternehmen ihre Einnahmen in Devisen weiterhin weitgehend in die Landeswährung umtauschen müssen. Die Regelung, die für 43 große russische Unternehmen im Bereich Rohstoffe gilt, sei bis April 2025 verlängert worden, teilte die Regierung in Moskau am Samstag mit. Sie müssen demnach mindestens 80 Prozent ihrer Einnahmen in ausländischen Devisen in Rubel eintauschen. Statt bislang 90 Tage bekommen sie dafür nun aber 120 Tage Zeit.

»Diese Entscheidung wird dazu beitragen, die Wechselkursstabilität und die Widerstandskraft des russischen Finanzmarkts zu erhalten«, begründete die Regierung die Maßnahme. Diese war im Februar 2022 eingeführt worden. Kurz zuvor hatte der Westen wegen der russischen Offensive in der Ukraine russische Devisenreserven in Höhe von fast 300 Milliarden Dollar (280 Milliarden Euro) eingefroren und Russland aus dem internationalen Bankensystem Swift ausgeschlossen.

Durch die Stimulation der Nachfrage nach dem Rubel hatte die russische Regierung eine größere Finanzkrise abgewendet. 2022 und 2023 wurden die Regeln dann gelockert. Doch als der Rubelkurs erneut deutlich sank, führte Staatschef Wladimir Putin den Zwangsverkauf von Devisen im Oktober für zunächst sechs Monate wieder ein. Derzeit liegt der Wechselkurs der Landeswährung bei etwa 93 Rubel für einen Dollar.

him/AFP