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Kultur Kölner Sonntagabendkrimi

Das schönste Liebespaar der „Tatort“-Geschichte

Redakteur Feuilleton
Der Kommissar und die späte Liebe: Jenny Schily und Klaus J. Behrendt Der Kommissar und die späte Liebe: Jenny Schily und Klaus J. Behrendt
Der Kommissar und die späte Liebe: Jenny Schily und Klaus J. Behrendt
Quelle: WDR/ Martin Valentin Menke
Warum sind deutsche Fernsehkommissare eigentlich derart beziehungsunfähig? Der neue Kölner „Tatort“ zeigt das am Beispiel von Max Ballauf. Der darf sich in seinem 90. Fall verlieben. Geht nicht gut aus. Für ihn. Für uns schon.

„In der Liebe“, sagt mal jemand in diesem mörderischen Liebesfilm, „muss man immer an das Beste glauben, sonst wird das nichts.“ Will er ja, der Kommissar. Will er unbedingt. Man sieht ihn in einer Aura von Stille und Glück tanzen. Schön ist das.

Man sieht ihn, das ist fast noch schöner, staunen. Dass er, der Streuner, ohne zu suchen, sie gefunden hat. Die Seelenverwandte, die Frau, die ihr Leben hat und ihm seines lässt.

Eine zweite Aura ist noch um Max Ballauf, den wir in jeglicher Hinsicht noch nie so nackt gesehen haben – eine Aura von Angst. Die spiegelt sich in seinem Gesicht, die hört man aus den Lautsprechern klingeln. Angst vor dem Verlieren, dem Verspielen des Glücks, vor dem Schuldigwerden.

Weil er es als Mensch, der an das Beste glauben will, nicht schafft, den Kommissar in sich abzuschalten, der immer das Schlimmste annehmen muss. Misstrauen essen Liebe auf.

Es ist die Geschichte eines todgeweihten Lichts, das in einem Labyrinth der Abhängigkeiten, der Vergangenheiten, der Erpressbarkeiten, der Verlustängste und der Schuld allmählich verlischt, die Wolfgang Stauch in seinem geradezu altmeisterlich ausgeruhten Drehbuch erzählt. Stauch erfüllt das komplette Lastenheft eines Kölner „Tatort“ – der braucht einen lokalen Rahmen, der braucht soziale Grundierung, der braucht Menschen, die schuldig werden, ohne es eigentlich zu wollen.

Der braucht Dinge, über die Max Ballauf und Freddy Schenk, die Kommissare mit dem Herz am rechten Fleck und am Rand der Renteneintrittsalter, ihre ohnehin zerfurchten Stirnen runzeln und garantiert politisch ausgewogene Dialoge führen können. Und darüber legt Stauch die Geschichte von Max und Nicola.

Leslie Malton ist Mariella Rosanelli
Leslie Malton ist Mariella Rosanelli
Quelle: WDR/Martin Valentin Menke

„Dieses Mal ist es anders“ ist zwei Genrefilme. Und beiden Erzählmechaniken wird der 90. Fall des Kölner „Tatort“-Kommissariats gerecht, das ist vielleicht das größte Wunder dieses – von Torsten C. Fischer – bemerkenswert ausgeruht inszenierten und – von Holly Fink – altmeisterlich fotografierten Sonntagabendkrimis.

Der Fall ist folgender: Ein Mann wurde überfahren. Unter einer Brücke wurde er gefunden. Wut war im Spiel. Ein Erpresser war er. Hat die Angst der Menschen genutzt, ihre Furcht vor dem Gesichts- und dem Bedeutungsverlust. Alle Unterlagen für sein schmutziges Geschäft hatte er gelöscht. Ein Bild aber nicht. Mariella Rovanelli war da zu sehen mit einem gut aussehenden Jugendchorleiter im Zelt.

Bestimmt zwanzig Jahre her. Irgendwo in der Eifel. Bei einer Chorfreizeit. Mariella Rosanelli war Schlagersängerin. Einen Hit hatte sie („Der Mann für den sichs lohnt“). Davon lebt sie, davon finanziert sie eine Stiftung, die Kids von den Kölner Straßen holt. Wer sie umbringt, sagt mal jemand, tötet beide – die komische Frau und ihre gute Sache. Kann keiner wollen.

Unter dem Mantel der Geschichte

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Nicola, die ein kleines Kölner Magazin leitet, und Mariella, die eigentlich anders heißt, kennen sich seit Jugendzeiten. Man hilft sich. Klüngeljournalismus nennt das mal jemand in „Dieses Mal ist es anders“. Was keiner wissen soll oder darf (dass Mariella mal nicht unbeteiligt war am Missbrauch von Jugendlichen durch besagten Chorleiter zum Beispiel), wird unter den Mantel der Geschichte gekehrt. Genau da aber muss der Max ja hin. Und will es nicht.

Man hört, was er dabei denkt. „Merkst Du, dass ich lüge“, denkt er mal. „Ja, ich merke es“, denkt Nicola. Könnte anstrengend werden, so ein innerer Monolog. Wird er aber nie. Weil Stauch das wunderbar dosiert. Und noch ein paar schöne Erzähltechniken anwendet – einmal verkettelt er beispielsweise mehrere Verhöre so elegant, das eins das andere fortsetzt.

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Mit einer hübschen Volte geht es gleich los und mitten hinein in den Untergrund der Geschichte. Was sie denn da so tut, fragt der Max. Ach, sie müsse noch was lesen, über die Schleyer-Entführung und die Erpressbarkeit des Staates und die Frage, ob man Entführern, Erpressern nachgeben soll. Das ist deswegen fein, weil Jenny Schily die Nicola spielt – was sie mit der ganzen reizvollen intellektuellen Nahbarkeit tut, die nur ihr eigen ist. Und der Vater von Jenny Schily die Schleyer-Entführer verteidigt hat.

Das muss man nicht wissen. Was man wissen muss, ist, dass Jenny Schily und Klaus J. Behrendt das vielleicht schönste Liebespaar der „Tatort“-Geschichte sind. Dass ihnen kein Happy-End beschieden sein würde, ahnt man schon gleich am Anfang. Das hört man im immer wieder sanft wehklagend klingelnden Soundtrack, das sieht man übers Gesicht des Klaus J. Behrendt huschen. Dem haben Stauch und Fischer endlich erlaubt, vom Stirnrunzel- ins Charakterfach zu wechseln. Und das hat er perfekt genutzt.

Wär sowieso nicht lang gut gegangen

Vielleicht ist es auch ganz gut so, wie es am Ende ist. Wir hatten die Nicola und den Max schon beim Kuscheln und beim Zähneputzen gesehen, beim Bügeln, bei allem, was wir von Batic und Lindholm und Odenthal nie gesehen haben. Sie hatten auch schon angefangen, diese elenden Ehegespräche zu führen. Darüber, wie ihr Tag so war. Und dass der andere doch bitte auf sich aufpassen soll.

Lange hätte es nicht gedauert und der Max und die Nicola hätten sich mit den Schenks zum Grillen irgendwo am Rhein getroffen oder an der Würstchenbude. Und es wär nichts mehr geblieben vom Staunen und von der Liebe, von Stille und Glück. Der Alltag ist ein mindestens so mieser Verräter wie das Misstrauen.

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