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Foto: Charlotte Sattler / Dein SPIEGEL

Kulturwerkstatt für Kinder Helena arbeitet an ihrem ersten Buch

In Grimma können Kinder ihre Ideen für Geschichten zu Büchern machen. Die zehnjährige Helena hat sich die Farbenfrau Aneleh ausgedacht. An einem magischen See kommt es zum Kampf mit der Dunkelheit.
Von Kristin Kasten aus Dein SPIEGEL 5/2024

Aneleh wohnt in einer Hütte am Waldrand. Sie hat eine besondere Fähigkeit: Mit ihren Gefühlen kann sie Farben herstellen. Rot, wenn sie wütend ist, Dunkelblau an traurigen Tagen und Gelb, wenn sie vor lauter Glück die ganze Welt umarmen möchte. Doch dann klaut die Dunkelheit ihr alle Farben, und Ane­lehs Welt versinkt in Schwarz. »Spannend, oder?«, fragt die zehnjährige Helena, die sich die Geschichte ausgedacht hat.

Auf ihrem Tisch stapeln sich handgemalte Bilder, Farbdrucke und beschriebene Blätter. Helena lässt sich von dem Chaos um sie herum nicht stören. Sie zieht die Augenbrauen zusammen und malt mit einem schwarzen Stift einen See auf ein Stück Li­noleum, daneben Aneleh. »Der See ist magisch«, sagt Helena. »Dort kommt es zum Kampf mit der Dunkelheit.« Sie nimmt ein u-förmiges Linolmesser, drückt es mit dem Zeigefinger in das Linoleum hinein und fährt der Spur des schwarzen Stifts nach. 20 Minuten dauert es, dann ist die Druckvorlage für das nächste Bild in Helenas Buch fertig. Schreiben, malen, ritzen, drucken.

Es liegt noch viel Arbeit vor der Viertklässlerin, die in der sächsischen Stadt Grimma zur Schule geht. Jeden Donnerstag kommt sie deshalb in die Kinderkulturwerkstatt des Vereins »Freundeskreis Buchkinder«. Bald soll Helenas erstes Buch fertig sein. Doch noch fehlt das Ende. »Ihre beste Freundin soll Aneleh retten, aber ich weiß noch nicht genau, wie.«

Seite um Seite entsteht Helenas Geschichte »Die Farbenfrau«. Sie ist fast fertig, nur das Ende fehlt noch.

Seite um Seite entsteht Helenas Geschichte »Die Farbenfrau«. Sie ist fast fertig, nur das Ende fehlt noch.

Foto: Charlotte Sattler / Dein SPIEGEL

Die Idee, die Geschichten von Kindern auf Buchseiten zu drucken, hatte Rulo Lange bereits vor 30 Jahren. Damals arbeitete er als Lehrer. »Es ärgerte mich, dass all die witzigen kleinen Geschichten der Kinder im Papierkorb oder in Heftern verschwanden«, sagt er. Also half er ihnen dabei, sie zwischen zwei Buchdeckeln festzuhalten. Das macht er noch heute. Zusammen mit den Kindern entwickelt er den roten Faden der Geschichten, diskutiert mit ihnen, gibt Denkanstöße. Das Ergebnis sind professionelle Bücher. »Das ist wichtig, schließlich sollen sie auch in der Erwachsenenwelt ernst genommen werden.«

Dein SPIEGEL: »Demokratie beginnt bei euch«
Foto: Dein SPIEGEL

»Herr Bundespräsident, welche Sorgen haben Sie?« Das wollten Clara und Bruno, beide 13, von Frank-Walter Steinmeier wissen. Sie trafen ihn zum Interview im Schloss Bellevue. Außerdem fragten sie, wie Steinmeier schwierige Termine meistert, ob er sich bei einem Bankett schon einmal einen Teller Spaghetti bolognese übers Hemd gekippt hat – und welchen Satz aus dem Grundgesetz er sich tätowieren lassen würde. Steinmeiers Antworten gibt es in der neuen Ausgabe von »Dein SPIEGEL«, dem Nachrichten-Magazin für Kinder. Außerdem im Heft: wie ein Verein für mehr Spaß am Mathematikunterricht sorgen will. »Dein SPIEGEL« gibt es am Kiosk, ausgewählte Artikel online. Erwachsene können das Heft auch hier kaufen:

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In dem hell erleuchteten Raum, in dem Rulo gemeinsam mit Helena und den anderen Grimmaer Buchkindern sitzt, hängen bunte Kunstwerke der Kinder an den Wänden, überall liegen Mal- und Bastelutensilien. »Lies doch mal den Anfang deiner Geschichte vor«, sagt Rulo zu Louis, 11, der ihm gegenübersitzt. »Der Werwolf kommt den Vampir an seinem Sterbetag besuchen«, liest Louis. Er fasst den Anfang der Geschichte kurz zusammen: »Die zwei wollen ein Krankenhaus ausrauben, als es plötzlich vom Blitz getroffen wird und sie einen Zeitsprung ins Mittelalter machen.« Eine abenteuerliche Reise beginnt.

Wie er auf die Idee gekommen ist? »Ich habe mir zuerst die Figuren überlegt, dann die Geschichte.« Er zeigt das gedruckte Bild seines Vampirs. Spitze Zähne ragen aus dessen Mund, die Haare stehen wirr vom Kopf ab. Louis legt die Linolvorlage daneben. »Das Ausritzen mag ich sehr, aber am besten ist der Moment, wenn das Bild aus der Druckpresse kommt«, sagt er.

Für Helena ist es gleich so weit. Sie quetscht schwarze Farbe aus einer Plastikflasche und verteilt sie mit einer Rolle auf dem Linolschnitt mit dem magischen See. »Das Bild von Aneleh am See soll ganz schwarz werden – wegen der bösen Dunkelheit.« Helena bedeckt die Linolplatte mit einem weißen Blatt Papier und legt sie in die Druckpresse. Das Sternrad der Presse dreht sie erst in die eine, dann in die andere Richtung. So verteilt sich die Farbe unter der schweren Druckwalze gleichmäßig auf dem Blatt. Helena begutachtet den Druck, lächelt und legt das Bild des Sees auf einen Tisch. Es ist in guter Gesellschaft. Daneben trocknen Prinzessinnen, Fledermäuse, Pferde.

Hinter der Druckpresse sitzt die elfjährige Maya am Computer. Ihr Buch »Die magische Trauerweide« ist schon fast fertig. Rund 50 Seiten hat es, davon 30 selbst gemalte und gedruckte Bilder. Maya hat sie eingescannt und zurechtgeschnitten. »Jetzt ordne ich meine geschriebenen Sätze passend zu den Bildern an.«

Maya kommt aus dem kleinen Ort Bad Lausick, der eine 20-minütige Busfahrt von Grimma entfernt ist. »Da gibt es nicht viel, was wir Kinder nachmittags machen können«, sagt sie. Wenn sie nicht gerade liest oder zeichnet, klettert sie am liebsten auf Bäume. »Das kann ich wirklich gut.« Außerdem mag sie es, sich Geschichten auszudenken. Ihr erstes Buch soll im Sommer erscheinen. »Ich werde es meiner Schwester widmen, weil sie immer für mich da ist.«

In der Werkstatt nebenan steht ein Mann mit grauen Haaren und grüner Schürze. Es ist der Buchbindemeister Dieter Johst, der aus den einzelnen Seiten der Kinder ein Buch entstehen lässt. Er macht das ehrenamtlich, bekommt also kein Geld dafür, sondern nur die Materialkosten erstattet. Die Kinder schauen immer mal wieder bei Dieter vorbei, der ihnen geduldig die einzelnen Arbeitsschritte erklärt.

Die Kinder bekommen ihr erstes Buch geschenkt, jedes weitere können sie kaufen. Die Bücher werden auch in verschiedenen Läden in Leipzig und Umgebung angeboten.

Die Kinder bekommen ihr erstes Buch geschenkt, jedes weitere können sie kaufen. Die Bücher werden auch in verschiedenen Läden in Leipzig und Umgebung angeboten.

Foto: Charlotte Sattler / Dein SPIEGEL

Bis Helenas Geschichte über die Farbenfrau bei dem Buchbindemeister auf dem Arbeitstisch liegt, wird es noch einige Monate dauern. Helena blättert in den fertigen Büchern, die in der Kinderkulturwerkstatt ausliegen. »Ich freue mich schon darauf, mein Buch in den Händen zu halten«, sagt sie. Helena blickt auf ihren Zeigefinger, an dem zwei kleine rote Schnitte zu sehen sind. »Da bin ich mit dem Linolmesser abgerutscht.« Das passiere ihr fast jedes Mal. »Es tut gar nicht weh«, sagt sie und zuckt mit den Schultern. Ein bisschen Blut für den Tausch gegen ein eigenes Buch, das ist es ihr wert.

»Dein SPIEGEL« – Das Nachrichten-Magazin für Kinder
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Dieser Artikel erschien in »Dein SPIEGEL« 5/2024.

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