Elektromobilität: Tesla verschweigt 82 Prozent der FSD- und Autopilotunfälle

Von 2018 bis August 2023 deckte eine US-Behörde beschönigte Unfallstatistiken mit 15 Todesfällen auf, darunter einen durch Teslas Full Self Driving.

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Tesla mit aktivem Fahrassistenzsystem
Tesla mit aktivem Fahrassistenzsystem (Bild: Wikimedia/Natecation/CC-BY-SA 4.0)

Die US-Verkehrsaufsichtsbehörde NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) und deren Büro für Defektuntersuchung haben eien Untersuchungsbericht zum Rückruf der Tesla-Autopilot- und Full-Self-Driving-Software veröffentlicht. Der Rückruf am 12. Dezember 2023 wurde notwendig, als klar war, dass Teslas Kontrollen, ob der Fahrer während der Nutzung dieser Fahrassistenzsysteme tatsächlich aufmerksam und eingriffsbereit waren, nicht ausreichten.

Insgesamt wurden 956 Unfälle mit dem Verdacht der Nutzung des Autopiloten oder FSD untersucht, 510 zwischen August 2022 und August 2023, die restlichen davor. In 211 Unfällen mit insgesamt 14 Toten fuhr der Autopilot frontal in Fahrzeuge, Objekte oder Personen, die weder der Autopilot noch der Fahrer rechtzeitig erkannten. FSD, das für "vollkommen selbstfahrend" steht, verursachte der Untersuchung nach 75 Unfälle mit einem weiteren Toten.

Nur in 8 von 109 Frontalcrashs mit Kameraaufzeichnungen habe die nötige Reaktionszeit unter 2 Sekunden gelegen, in denen aber ein aufmerksamer Fahrer den Unfall zumindest hätte abmildern können. In 42 Fällen blieben 2 bis 5 Sekunden Zeit, um die Gefahr zu umgehen, und in 59 Fällen noch mehr. In rund 80 Prozent der Unfälle gab es entweder gar keine Reaktion des Fahrers oder erst in buchstäblich letzter Sekunde.

In 145 Unfällen kam der Autopilot durch überhöhte Geschwindigkeit auf rutschiger Fahrbahn von der Straße ab, in weiteren 111 Unfällen lag es an einer unabsichtlichen Deaktivierung der Spurhaltefunktion. Vier Tote gab es in einer Kategorie von 131 Unfällen, in denen die Ursache nicht eindeutig geklärt werden konnte. 283 Unfälle konnten auf andere Ursachen als den Autopiloten oder FSD zurückgeführt werden.

Schwere Unfälle wurden teilweise nicht gemeldet

Da eine Untersuchung nur dann durchgeführt wurde, wenn bereits eine Beteiligung eines Fahrassistenzsystems vermutet wurde, kann es auch zu weiteren Unfällen gekommen sein. Die NHTSA beklagt Lücken in Teslas Telemetriedaten, durch die unklar bleibe, bei wie vielen Unfällen tatsächlich ein Fahrassistent beteiligt war. Das gilt insbesondere, wenn bei einem Unfall die Antenne des Funksystems beschädigt wurde oder keine Netzabdeckung vorlag, womit Tesla selbst einige schwere Unfälle nicht gemeldet wurden.

Die Behörde weist außerdem darauf hin, dass Tesla in eigenen Statistiken nur Unfälle ausweist, in denen der Airbag und andere pyrotechnische Systeme gezündet wurden. Das ist laut Polizeistatistik aber nur in 18 Prozent der polizeilich gemeldeten Unfälle der Fall. Teslas Angaben zu unfallfrei gefahrenen Kilometern wären damit statistisch um einen Faktor 5,5 zu hoch.

Der Rückruf der Software wurde notwendig, weil eine Reihe offensichtlich vermeidbarer Unfälle unter Beteiligung von Teslas Fahrassistenzsystemen auffiel. Teslas Kontrolle der Aufmerksamkeit der Fahrer war dabei laut dem Bericht so unzureichend, dass vermeidbare Unfälle wegen unaufmerksamerer Fahrer vorhersehbar gewesen seien.

In diesem Zusammenhang kritisierte die NHTSA auch die Namensgebung. Sowohl der Name Autopilot als auch FSD, die Abkürzung für Full Self Driving, also vollkommen selbstfahrend, suggerierten den Nutzern, dass Aufmerksamkeit nicht notwendig sei. Andere Firmen verwenden für solche Fahrerassistenzsysteme Bezeichnungen wie Assistent, Team oder eine Art 7. Sinn.

Das eigentliche Problem bleibt ungelöst

Der Bericht kritisiert, dass Teslas Systeme im Vergleich mit Systemen anderer Hersteller eine besonders schlechte Kombination aus schwachen Kontrollen des Fahrers und besonders weitreichender Automatisierung des Selbstfahrsystems aufweisen. Auch böten andere Systeme den Fahrern keinen Widerstand bei Eingriffen am Lenkrad, was die Aufmerksamkeit der Fahrer verbessere.

Die Systeme anderer Hersteller verhinderten außerdem ein ungewolltes Deaktivieren der Spurhaltefunktion. Diese werde nach einem gewollten oder ungewollten Eingriff des Fahrers reaktiviert – bei Tesla war dies nicht der Fall und daher die Ursache von 111 der 954 untersuchten Unfälle. Tesla sieht sich inzwischen als Robotik- und KI-Unternehmen und wirbt mit besonders hoher Sicherheit seiner Assistenzsysteme, die nach Firmenangaben zehnmal sicherer als menschliche Fahrer seien.

Gelöst ist das Problem indessen nicht. Tesla-Fahrer berichten, dass die nun auftretende "Nörgelei" des Autopiloten durch Verdecken der Innenkamera und andere Tricks übergangen werden kann.

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captain_spaulding 29. Apr 2024 / Themenstart

Man müsste hier nicht mit menschen Fahrern vergleichen, sondern mit anderen...

captain_spaulding 29. Apr 2024 / Themenstart

Die Anzahl der Autopilot-Unfälle ist aber für sich gesehen völlig nichtssagend. Ich nehme...

Haukeeee 29. Apr 2024 / Themenstart

Mit so vielen Einschränkungen dass das System quasi nur im Stau auf Autobahnen benutzt...

ap (Golem.de) 28. Apr 2024 / Themenstart

Guten Abend, bitte bleiben Sie in Ihrer Kritik sachlich und respektvoll und beachten...

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