Der Mittwoch im Überblick Die Chefs aus der neuen E-Klasse
Unternehmenserben sind vielen suspekt. Linke empört die Ungerechtigkeit, Konservative ängstigt das Verfallsszenario, das aus den „Buddenbrooks“ bekannt ist. Die erste Generation schaffe Vermögen, die zweite verwalte es, die dritte studiere Kunstgeschichte und die vierte verkomme dann vollends, soll bereits Otto von Bismarck (1815 bis 1898) gelästert haben. Mitten im großen Umbruch des deutschen Wirtschaftsmodells übernimmt jetzt eine neue Erbengeneration zwischen 30 und 40 die Regie in den Familienunternehmen. Sie ist besser ausgebildet und tickt internationaler als alle ihre Vorgänger. Meine Kollegen Henning Hinze und Christoph Neßhöver haben diese „neue E-Klasse“ in der Titelgeschichte unseres Mai-Hefts unter die Lupe genommen.
Sie porträtieren angehende Konzernlenker und reformfreudige Hidden Champions, etwa Carsten Coesfeld (37), den Enkel des Bertelsmann-Gründers, Max Viessmann (35), der sein Heiz- und Kühlgeschäfts verkaufte und mit den Milliarden einen neuen Cleantechriesen bauen will, oder Lara Kufferath (34), die bei GKD in Düren das Geschäft mit Metallgeflechten in der vierten Generation übernimmt und es gleich verdoppeln will. Nadine Kammerlander (40), Professorin für Familienunternehmen an der Privatuni WHU Vallendar, unterscheidet in der NextGen drei Gruppen: die Bewahrer, die finanziellen Maximierer und die Visionäre. Für den nachhaltigen Wohlstand braucht es Letztere. Meine Kollegen nennen sie die „Generation Mut“.
Junge Elite: Um-die-40-Jährige aus den Eigentümerfamilien übernehmen in ihren Unternehmen die Kontrolle, von Spielzeughändler Christian Krömer über Industriedrahtweberin Lara Kufferath und Viessmann-Zerleger Max Viessmann bis zum neuen Bertelsmann-Vorstand Carsten Coesfeld (v. l.)
Fotos [M]: GKD Group, Daniel Delang / manager magazin, Gene Glover / Agentur Focus, Sebastian Pfütze
Die Wirtschaftsnews des Tages:
Miese Zahlen, enttäuschender Ausblick, verpatzter Auftakt für den künftigen Chef – der Aktienkurs des krisengeschüttelten deutschen Biotechs Evotec ist heute um fast ein Drittel eingebrochen. Bereits gestern Abend wurde verkündet, dass Christian Wojczewski ab Juli der neue CEO sein wird. Der langjährige Chef Werner Lanthaler (56), der eigene Aktiengeschäfte viel zu spät gemeldet hatte, war Anfang des Jahres auch nach unseren Recherchen abrupt abgetreten.
Der Expresslieferdienst Getir von Gründer Nazim Salur (62) steht mit seinen Marken Getir und Gorillas offenbar vor einem Rückzug aus Deutschland.
Tesla liefert die schlechtesten Quartalsergebnisse seit Langem. Umsatz und Gewinn brachen ein. CEO Elon Musk (52) hat aber schon wieder die nächsten Storys: Er verspricht neue, günstigere Modelle und den Umbau Teslas zu einer „KI-Robotik-Firma“ mit selbstfahrender Robotaxiflotte. Nur Details nannte er so gut wie keine.
Fahrradriese Shimano hat im ersten Quartal 22,6 Prozent weniger umgesetzt als im Vorjahr. Shimanos Ausblick für den europäischen Markt ist trübe. Allerdings sehen die Japaner in Deutschland erste Hoffnungszeichen.
Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (54; Grüne) hat die Wachstumsprognose seines Hauses geringfügig angehoben. Die deutsche Wirtschaft werde 2024 um 0,3 statt nur 0,2 Prozent wachsen. Habeck sieht die Konjunktur am „Wendepunkt“, neue Umfragedaten stützen diese Einschätzung: Das Ifo-Geschäftsklima ist im April zum dritten Mal in Folge gestiegen.
Personalien des Tages:
Der Parlamentarische Staatssekretär, der sich bisher um das deutsche Schienennetz gekümmert hat, wechselt das Gleis: Michael Theurer (57; FDP) geht vom Bundesverkehrsministerium in den Vorstand der Bundesbank, berichten verschiedene Medien. Theurer ist Volkswirt, Vorsitzender der FDP Baden-Württemberg und ein altgedienter Wirtschaftspolitiker in Funktionen als Landtags-, Europa- und Bundestagsabgeordneter.
Changpeng Zhao („CZ“), der Gründer der weltgrößten Kryptobörse Binance, könnte im Gefängnis landen. Zhao hat sich unter anderem der Geldwäsche schuldig bekannt. Die Staatsanwälte beim Prozess in Seattle fordern nun 36 Monate Haft. Verglichen mit einem anderen gefallenen Kryptokönig ist das allerdings nicht viel. Sam Bankman-Fried (32), Gründer von FTX, wurde jüngst wegen Milliardenbetrugs und weiterer Straftaten zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt.
Schlaflos in Peking:
VW-Boss in China: Manager Ralf Brandstätter
Foto:Jan Philip Welchering für manager magazin
Dass VW in seinem einstigen Boommarkt China dramatisch zurückgefallen ist, hat sich herumgesprochen. Kurz vor der Beijing Auto Show erklärte Volkswagens Chinachef Ralf Brandstätter (55) deshalb Journalisten und Investoren, wie er bis 2026 die Wende schaffen will. Mein Kollege Christoph Seyerlein war vor Ort in Peking dabei und berichtet, wie schwer sich Brandstätter tut, die vielen Skeptiker zu überzeugen. Die Elektrolimousine ID.7 etwa, die vor genau einem Jahr in Schanghai als „Gamechanger“ präsentiert wurde, hat sich in China bislang keine 5000-mal verkauft. Brandstätter selbst spricht von einer bitteren „Stabilisierungsphase“. Sein Produktchef erzählt von einem „Schlachtfeld“, das ihn schon mal „schlecht schlafen“ lasse.
Was Ihnen in Ihrer Karriere helfen könnte:
„Culture eats strategy for breakfast“ – die Unternehmenskultur besiegt jede Strategie, lehrte der Managementvordenker Peter Drucker (1909 bis 2005). Wie aber lässt sich die übermächtige Beharrungskraft „Kultur“ neu ausrichten? Mit ein paar neuen Statuten und Workshops ist das kaum möglich. Die US-Autoren Jay Barney, Manoel Amorim und Carlos Júlio erklären im Harvard Business manager, wie Sie mithilfe von Storytelling Veränderungen in Gang setzen. Eine Unternehmenskultur lebt von den Geschichten, mit denen sich alle identifizieren. Deshalb der Rat der Change-Experten: Schaffen Sie neue Erzählungen, die die Kultur stärken, die Sie etablieren wollen, und die Schwächen der bestehenden Kultur aufzeigen.
Eine kleine Hommage an Peter Drucker ist auch der Name unserer regelmäßigen HBm-Kolumne „Strategie zum Frühstück“. Im Newsletter dieser Woche erklärt meine Kollegin Christiane Sommer, welche drei Fähigkeiten Ihnen helfen können, in einer turbulenten Weltlage den richtigen Kurs zu finden. Den Ansatz haben sich Berater von Bain bei Finanzinvestoren und Risikokapitalisten abgeschaut, die notorisch mit hoher Unsicherheit leben müssen.
Meine Empfehlung für den Abend:
Goldmine des Newmont-Konzerns in Peru: Experten sehen bei Aktien von Minenbetreibern Aufholpotenzial
Foto:Dado Galdieri / Bloomberg / Getty Images
Wer noch schnell in die große Goldrallye einsteigen will, braucht in den USA nur in den Supermarkt zu gehen. Die Großhandelskette Costco verkauft dort Unzen „to go“ zum Tagespreis. Sichere Lagerung und späterer Rücktausch in Cash können allerdings sehr schwierig werden. Eine solidere Strategie für hiesige Goldfans analysiert mein Kollege Christoph Rottwilm: Er hat mit Experten über die Aktien von Goldminenbetreibern gesprochen. Deren Kurse haben den rasanten Anstieg des Goldpreises bisher nur mit Verzögerung nachvollzogen. Vor allem die kleineren Unternehmen erscheinen attraktiv. Noch dazu lockt ein starker Hebeleffekt: Steigt der Goldpreis, dann steigen die Gewinne der Minen überproportional. Sicherheitswarnung: Dieser Hebel wirkt auch in umgekehrter Richtung, wenn der Goldpreis wieder fällt.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend
Ihr Christian Schütte
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