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Verhaltensökonomie Nobelpreisträger Daniel Kahneman ist tot

Er war einer der führenden Köpfe der Verhaltensforschung: Nobelpreisträger Daniel Kahneman ist im Alter von 90 Jahren gestorben. In seinem Werk erklärte er, warum Menschen sich entgegen den Annahmen oft nicht rational verhalten.
Verstorbener Nobelpreisträger: Daniel Kahneman im September 2022 in New York City

Verstorbener Nobelpreisträger: Daniel Kahneman im September 2022 in New York City

Foto: Rob Kim / New York Protest Movement / Getty Images

Der einflussreiche Verhaltensökonom Daniel Kahneman ist tot. Er starb im Alter von 90 Jahren, wie seine Partnerin Barbara Tversky der "New York Times" und seine Stieftochter Deborah Treisman der „Washington Post“ bestätigten.

Kahneman wurde 1934 in Tel Aviv geboren und wuchs in Frankreich auf. Er stammt aus einer litauisch-jüdischen Familie. Er promovierte in den USA in Psychologie und lehrte später unter anderem in Jerusalem und im kalifornischen Berkeley.

Im Jahr 2002 hatte Kahneman mit Vernon L. Smith den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten, der umgangssprachlich Wirtschaftsnobelpreis genannt wird. Im vergangenen Jahr ging der Preis an die US-Forscherin Claudia Goldin (77) für ihre Arbeiten zur Rolle von Frauen am Arbeitsmarkt.

Verleihung der "Presidential Medal of Freedom": Kahneman erhielt die Auszeichnung durch den damaligen Präsidenten Barack Obama im Jahr 2013

Verleihung der "Presidential Medal of Freedom": Kahneman erhielt die Auszeichnung durch den damaligen Präsidenten Barack Obama im Jahr 2013

Foto: Win McNamee / Getty Images

Die zugrundeliegende Prospekt-Theorie hatte er mit dem 1996 gestorbenen Wissenschaftler Amos Tversky entwickelt. Sie gilt als eine der Grundlagen der Verhaltensökonomie, einem Bereich der Wirtschaftswissenschaften, der sich mit menschlichem Verhalten in wirtschaftlichen Situationen auseinandersetzt.

Buch Kahnemans wird Bestseller

Die traditionelle Wirtschaftswissenschaft geht davon aus, dass Menschen in wirtschaftlichen Kontexten vorwiegend rational handeln. Verhaltensökonomen sehen das anders und untersuchen, wie etwa Voreingenommenheiten das Handeln beeinflusst.

Kahmemans für die Allgemeinheit geschriebenes Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ von 2011 wurde ein Bestseller. Darin stellt er zwei Arbeitsweisen des Hirns beim Denken dar: Das schnelle, unbewusste, emotionale und intuitive System 1 und das langsamere, logischere, bewusstere System 2.

Das unbewusste, schnelle Denken führt laut Kahneman zu sogenannten kognitiven Verzerrungen: unbewussten Fallstricken und systematischen Fehlern im Denken, Wahrnehmen und Erinnern. Dazu gehört etwa, das eigene Wissen zu überschätzen.

Wie man moralisches Handeln beeinflusst

In einem Interview mit dem SPIEGEL von 2012 berichtete Kahneman etwa von einem Beispiel aus seinem Buch: Demnach lässt sich die Bereitschaft von Menschen, Geld in eine Kaffeekasse zu zahlen, ganz einfach beeinflussen. „Sie müssen nur dafür sorgen, dass das richtige Bild über der Sparbüchse hängt", sagte Kahneman. „Blickt ein Augenpaar von der Wand, zahlen die Menschen doppelt so viel ein wie bei einem Blumenbild. Wer sich beobachtet fühlt, handelt moralischer.“

Kahnemans Partnerin Barbara Tversky ist emeritierte Professorin für Psychologie an der Stanford University. Ihr früherer Ehemann war der 1996 gestorbene Forschungskollege Kahnemanns, Amos Tversky. Kahneman und Barbara Tversky lebten seit wenigen Jahren als Paar.

kko/mje